Amerikas Feind zu sein mag gefährlich sein, aber Amerikas Freund zu sein ist fatal.

Henry Kissingers vielzitierte Aussage, nachdem der amerikanische Freund, Diktator Nguyễn Văn Thiệu, 1963 in Vietnam die Macht übernommen und den früheren amerikanischen Freund, Diktator Ngô Ðình Diệm, erschossen hatte, wurde von William F. Buckley Jr. aufgezeichnet. Ein Jahrzehnt später, als die Amerikaner kopfüber aus Vietnam flohen, überließen sie ihre Freunde der Obhut des kommunistischen Việt Cộng.

In der Zwischenzeit könnte Kissingers Aussage von einer respektablen Reihe anderer amerikanischer Freunde bestätigt werden, zum Beispiel von Reza Schah Pahlavi, der 1979 aus dem Iran vertrieben wurde, von Saddam Hussein, der 2006 hingerichtet wurde, von den afghanischen Mudschaheddin, die 1978 für den Kampf gegen die UdSSR rekrutiert und dann als Taliban und Al-Qaida zu prominenten US-Feinden wurden, von den irakischen Kurden und Schiiten, 1991 zum Aufstand gegen Saddam angestachelt und dann seiner Vergeltung übergelassen, von Michail Saakaschwili, 2008 zum Angriff auf russische Regionen Georgiens angestachelt, heute in einem georgischen Gefängnis, von den afghanischen Freunden, nach der Flucht der USA 2020 dem Obhut der Taliban überlassen. Und natürlich: durch Rußland nach 1992 und China im neuen Jahrhundert. Und: von Ukraine und Europa seit 2014.

„Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur seine Interessen“, erklärte Kissinger.

Ukrainischer Freund

In letzter Zeit bin ich auf eine Reihe von Beiträgen von Analysten und Kommentatoren gestoßen, die ihr Erstaunen zum Ausdruck bringen, wie widersinnig die US-Regierung die Ukraine ermutigt, den verlorenen Krieg weiter zu eskalieren.

Es ist die natürliche Reaktion eines normalen Menschen, dem das Töten zuwider ist, der versucht, Streitigkeiten durch Verhandlungen zu lösen und den Krieg als das ultimative Unglück ansieht.

Ich habe mich auch gewundert.

Jeder vernünftige Mensch würde erwarten, daß die Ukraine, wenn sie enge Bindungen sowohl zur EU als auch zur Eurasischen Union unterhält, eine nützliche Rolle als Brücke zwischen ihnen spielen könnte. Er würde erwarten, daß der Konflikt zwischen der Regierung und den Demonstranten mit einer Einigung am runden Tisch endet. Als er bereits blutig eskalierte, hätte er damit gerechnet, daß die EU, Rußland und die USA gemeinsam das Abkommen zwischen Janukowitsch und der Opposition gegen die bewaffneten Kämpfer durchsetzen würden und die Schießerei von einer internationalen Kommission untersucht würde. Er würde erwarten, daß nach der Machtübernahme durch die Putschregierung Druck auf sie ausgeübt werde, um die russischsprachigen Ukrainer nicht mit feindseligen Aktionen zu provozieren. Als die antiputschistischen Föderalisten im Osten sich weigerten, die Putschregierung anzuerkennen, hätte er erwartet, daß die internationale Gemeinschaft auf die Föderalisierung des Landes und die Bildung einer Regierung mit einem Anteil beider Teile drängen würde, um die Integrität der Ukraine zu bewahren. Nachdem die Kiewer Regierung bereits eine Armee gegen die Föderalisten geschickt hatte, hätte er erwartet, daß die internationale Gemeinschaft zumindest Massaker an der städtischen Zivilbevölkerung durch Artillerie, Raketenbeschuss und Luftangriffe verhindern würde.

So habe ich mich im September 2014 gewundert.

Ich hatte auch eine mögliche Erklärung parat:

Falls es jedoch darum ginge, „Rußland zu einer Entscheidung über ein Eingreifen zu zwingen“, erscheint die gesamte ukrainische Entwicklung plötzlich völlig verständlich und logisch. Ihre Strategie wurde bereits im März von George Friedman dargelegt: Es wird auf den Schlachtfeldern (Battelfields) der Ukraine und Moldawiens durch die Visegrad-Kampftruppen (Visegrad battelgroups) unter der Führung von Polen, Rumänien und Aserbaidschan ausgetragen.

Dazu ist es im Jahr 2014 nicht gekommen. Russland beschloss nicht einzugreifen, die Visegrad-Kampftruppen zeigten kein Interesse und die antiputschistischen Föderalisten verteidigten sich nicht nur, sondern fügten der ukrainischen Armee eine beträchtliche Niederlage zu. Amerikas Freund brauchte eine gründlichere Vorbereitung.

Das vor Ort geschlossene Minsk-II-Abkommen stellte ihr einen Zeitrahmen von acht Jahren zur Verfügung. Während diesem wurde antirussischer Haß geschürt, das Land hat seine Identität in seiner Tradition des pro-nationalsozialistischen Kampfes gegen Rußland gefunden und die Armee wurde dafür ausgebildet und mit modernster Ausrüstung ausgerüstet. Es blieb nur noch, die Zögerlichkeit Rußlands, einzugreifen, zu überwinden.

Versprechen auf einen Beitritt zur NATO, aufwendige Kriegsvorbereitungen, Pläne zur Installation von Mittelstreckenraketen, die Aussicht auf eine Bewaffnung mit Atomwaffen, Terror gegen die Donbas-Bevölkerung und die geplante Offensive zur Brechung seines Widerstands überzeugten ihn schließlich von der Notwendigkeit zumindest einer speziellen Militäroperation mit dem Ziel, die Regierung Selenskyjs zu stürzen und durch eine entgegenkommendere zu ersetzen nach dem Vorbild Prag 1968. Die Landung wurde jedoch bereits auf dem Flughafen in Hostomel erwartet und die spezielle Militäroperation wurde zu einem offenen Krieg.

Und wieder kann man sich wundern:

Warum bestand der Westen hartnäckig auf einer Ausweitung der NATO auf die Ukraine, obwohl alle Experten warnten, daß dies unweigerlich zu einem Krieg führen würde? Gegen welchen russischen Angriff rüstete man die Ukraine auf, wenn Rußland 2014 auf eine Intervention verzichtete, obwohl es dafür die besten Voraussetzungen gehabt hätte? Warum hat man die Ukraine davon überzeugt, die Minsker Vereinbarungen nicht zu respektieren, obwohl diese die einzige Garantie für den Frieden und – mit Ausnahme der Krim – für ihre territoriale Integrität waren? Warum erwähnte niemand den Schutz ethnischer Minderheiten, als die Kiewer Regierung die russischsprachige Bevölkerung ausgrenzte? Warum hat niemand an den anhaltenden Beschuß der Städte im Donbas reagiert? Warum weigerte sich der Westen, den russischen Vorschlag für eine europäische Sicherheitsarchitektur überhaupt in Betracht zu ziehen? Warum ermutigte er Selenskyj zu immer weiteren Provokationen mit strategischen Partnerschaften, ballistischen Raketen und Atomwaffen? Warum hinderte er ihn daran, im März 2022, einen Monat nach Beginn der Kämpfe, das Friedensabkommen von Istanbul abzuschließen?

Und wieder kann eine plausible Erklärung angeboten werden, die die gesamte ukrainische Entwicklung plötzlich völlig verständlich und logisch erscheinen läßt:

Die Aufgabe bestand darin, „Rußland zu zwingen, zu entscheiden, ob es eingreifen soll“. Der russisch-ukrainische Krieg ist kein Unfall der rücksichtslosen Politik des Westens, sondern sein sorgfältig vorbereitetes Ziel.

Ein spezifisches Merkmal der amerikanischen politischen Kultur ist die öffentliche Zugänglichkeit von Ressourcen. Man braucht nicht spekulieren, interpretieren und theoretisieren.

Unsere Hauptaufgabe besteht darin, die Entstehung eines neuen Rivalen zu verhindern, der eine Bedrohung in der Größenordnung der ehemaligen UdSSR darstellt, heißt es in der Wolfowitz-Doktrin von 1992. Ohne die Ukraine wird Rußland keine Großmacht mehr sein, schreibt Zbigniew Brzezinski 1997. Der Westen will die mit dem Fall der Berliner Mauer begonnene Arbeit zu Ende bringen und Europas Marsch nach Osten fortsetzen … Der große Preis ist die Ukraine, schreibt Wahington Post im Jahr 2004. Jac[eniuk] ist der Mann mit Führungserfahrung, stellt am 6. Februar 2014 Victoria Nuland die neue ukrainische Regierung zusammen. Die [Donbass] Gemeinden werden nach und nach befreit, angeführt von Panzertruppen, die die verbleibenden Widerstandsnester eliminieren, instruiert sie RAND Corporation, um eine russische Intervention zu provozieren, und wenn dies nicht gelingt, entwickelt sie im Jahr 2019 ein detailliertes Szenario, wie Russland zu überlasten und zu destabilisieren ist. Im Juni 2022 beruft die amerikanische Helsinki-Kommission eine Sitzung zur Dekolonisierung (Fragmentierung) Russlands ein. „In dem Krieg mit Rußland geht es um über 10 Billionen US-Dollar an russischen Bodenschätzen“, erklärt Senator Lindsey Graham.

Doch zunächst mußte der Freund Selenskyjs überzeugt werden. Die russische Armee ist mit veralteten Waffen ausgestattet und leidet unter Munitionsmangel, niedriger Moral und schlechter Führung. Gegen die nach NATO-Richtlinien modern bewaffnete und ausgebildete ukrainische Armee hat sie keine Chance, belogen sie ihn. Die Ukraine ist ein leuchtender Vorposten der westlichen Demokratie gegen die düstere östliche Diktatur Putins, schmeichelten sie ihm. Wenn Rußland angreift, werden wir beispiellose Wirtschaftssanktionen gegen ihn verhängen, seine Wirtschaft wird zusammenbrechen, Hunger wird die Menschen auf die Straßen treiben und Putins Regime wird gestürzt, fantasierten sie. Und insbesondere versprachen sie militärische Hilfe in einer Form, die ihn davon überzeugte, daß ihm die NATO-Armeen zu Hilfe eilen würden.

Die Ernüchterung kam sofort. Wie bereits Saakaschwili vor ihm hat er schnell erkannt, daß wir uns verteidigen und das mächtigste Land der Welt nur aus der Ferne zuschaut, daß die NATO Angst vor einer Konfrontation mit Rußland hat. Zu spät. Forderungen nach der Einrichtung einer Flugverbotszone blieben unbeachtet, Forderungen nach Panzern, Raketen und Flugzeugen wurden nur dann halbherzig und mit Widerwillen erhört, als die Lage bereits kritisch wurde. Nicht einmal der verzweifelter Versuch, eine Rakete auf Polen abzufeuern und dies für einen russischen Angriff auf einen NATO-Staat vorzugeben, hat geholfen. Er bekommt lediglich Zusagen einer Hilfe so lange wie nötig. Das ist das am besten angelegtes Geld, versichert ihm Lindsey Graham, ihr tötet die Russen.

Allerdings schließt sich nach der ergebnislosen Sommeroffensive 2023 auch der Geldkanal. Mit Hunderttausenden Toten und Dutzenden Millionen Flüchtlingen steht Amerikas aufopferungsvoller Freund Ukraine vor dem finanziellen, wirtschaftlichen, militärischen, geographischen, demographischen und politischen Zusammenbruch. Nicht einmal ein Teil der astronomischen Schulden wird ihm erlassen. Statt dessen kaufen westliche Konzerne die verbleibenden Vermögenswerte – Land, Mineralien, Industrie – zu einem günstigen Preis auf.

Russischer Freund

Im Jahr 1992 konnte Paul Wolfowitz nur einen neuen Rivalen im Sinn haben, der eine Bedrohung in der Größenordnung der ehemaligen UdSSR darstellte: die Verbindung Europas mit Rußland, insbesondere der deutschen Technologie und des deutschen Kapitals mit den russischen Bodenschätzen, das Gemeinsame Europäische Haus von Lissabon bis Wladiwostok. Und schließlich Europa selbst auf dem Weg der Integration. China, zur Zeit ein Freund Amerikas, galt noch nicht als Rivale.

Es ist jedoch einsichtig, wie die Entstehung eines europäisch-russischen Rivalen verhindert werden kann: Divide et impera, sie gegeneinander aufzuhetzen, beide zu schwächen und einen Krieg zwischen ihnen anzuzetteln. Dieser Aufgabe widmet sich Amerika die letzten dreißig Jahre systematisch. Die penetranten Fragen sind damit beantwortet.

Das erste Jahrzehnt wurde im Geiste der allumfassenden Freundschaft zwischen den USA, Rußland und europäischen Ländern verbracht, die 1989 auf dem Malta-Gipfel besiegelt wurde. Amerikanische Berater beeilten sich, dem russischen Freund bei neoliberalen Wirtschaftsreformen zu helfen, seine Vermögenswerte vorteilhaft aufzukaufen, seine Atomwaffen zu liquidieren, seine Experten sowie sein spaltbares Material weg zu bringen, Kontakte zu den neuen russischen Oligarchen anzuknüpfen. Finanzkredite lehnten sie ab; Ziel war es, Rußland zu schwächen. Der russische Freund ist an den Rand des Zusammenbruchs gesunken.

Europa, wirtschaftlich intakt und vereint durch die Werte des friedlichen Zusammenlebens, der Rechtsstaatlichkeit, des sozialen Marktes und der Menschenrechte, war eine andere Angelegenheit. Der Weg führte auf einem Umweg vom Osten aus durch das Neue Europa, die postkommunistischen Staaten, zu deren neuen Eliten die Amerikaner noch seit den Tagen des Dissidenten enge Beziehungen pflegten. Es war nicht schwieriger als in Rußland, radikale neoliberale Reformen in den durch den Zusammenbruch desorientierten Ländern einzuführen und ihre Staatsvermögen gewinnbringend zu privatisieren, doch ihre Rolle endete damit noch nicht. Im Jahr 1993, in der Zeit des tiefsten Niedergangs Rußlands, bekamen Václav Havel und Lech Walęsa plötzlich Angst vor dem russischen Expansionismus und, um den Frieden in Europa zu wahren, bestanden auf der Aufnahme in die NATO.

Das ist der Schlüsselmoment. Zum ersten Mal hieß es, Rußland sei eine Bedrohung für Europa und die Nato solle nach Osten expandieren.

Die ersten drei Länder werden 1999 aufgenommen, zeitgleich mit dem ersten internationalen Krieg in Europa seit 1945 und dem ersten Militäreinsatz der NATO in ihrer Geschichte, der Bombardierung von Jugoslawien, dem engsten Verbündeten Rußlands. Viktor Orbán verhinderte eine weitere Eskalation, indem er die Forderung nach einer Invasion Jugoslawiens auf dem Landweg ablehnte.

Europäischer Freund

In den folgenden Jahren erreichten die USA in Europa vier zentrale Ziele: Rußland als gefährlichen Feind darzustellen und von Europa zu isolieren, die NATO bis an seine Grenzen auszudehnen, die europäische politische Elite bedingungslos zu unterwerfen und schließlich Europa zu schwächen.

Letzteres wurde 2017 von Präsident Trump mit Sanktionen gegen die Lieferung von russischem Gas, einem Symbol der europäisch-russischen Integration, initiiert, mit dem Ziel, es durch teures amerikanisches Gas zu ersetzen. Es folgen Maßnahmen gegen europäische Handelsüberschüsse und Zölle auf Stahl, Aluminium und Autos. Entscheidend sind die Hinweise auf die Unfähigkeit Europas, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen, und auf seine Abhängigkeit vom amerikanischen Geheimdienst und der amerikanischen Verteidigung. Sie fordert eine Erhöhung der Rüstungsausgaben der NATO-Staaten auf 2 % des BIP, bzw. weitere Milliarden europäischer Steuern für die amerikanische Rüstungsindustrie.

Die Covid-Operation 2020–2021 richtete sich nicht speziell gegen Europa, trug aber nicht weniger als andere Maßnahmen zu dessen Schwächung bei. Zusätzlich zu den zusätzlichen Milliarden Dollar, die europäische Steuerzahler für absurd hohe Einkäufe unwirksamer Impfstoffe an amerikanische Pharmaunternehmen überwiesen haben, und zusätzlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch aufgrund der Lockdowns, hat dies den Zerfall des ohnehin schon zerrütteten Zusammenhalts der europäischen Gemeinschaften noch weiter verschärft, die Spannungen zwischen Regierungen und Bürgern verstärkt und durch Zensur und Unterdrückung zur Abschaffung der Demokratie beigetragen.

Mit dem Antritt von Joe Biden, Victoria Nuland und Antony Blinken, den Architekten des ukrainisch-russischen Krieges, nimmt die Schwächung des europäischen Freundes eine Wende. Europäische Politiker werden unter Druck gesetzt, der Beendigung des Nord Streams und der Einführung beispielloser Sanktionen gegen Rußland im Falle einer Aggression gegen die Ukraine zuzustimmen, an welche damals nicht einmal Selenskyj glaubte. Doch Biden wußte, daß er Rußland früher oder später dazu zwingen wird.

Die russische Invasion löst eine ungeheure antirussische Haßkampagne aus. Mit einer seit den 1950er Jahren unerhörten empörenden Rhetorik, einer Orgie beispielloser Sanktionen, der durch Sabotage besiegelten Stop des Nord-Stream-Projekts, der Beschlagnahmung von Bankreserven und der Abkoppelung Rußlands vom internationalen Banksystem, bis hin zum Boykott der russischen Kultur, des Sports, Wodka und Katzen. Die Kluft zwischen Europa und Rußland wurde vollgebracht.

Lassen wir uns nicht von der Rhetorik täuschen. Das nominelle Ziel der Sanktionen besteht darin, Rußland zu schwächen, ihre – beabsichtigte – Nebenwirkungen bestehen jedoch darin, auch Europa zu schwächen. Die antirussische Hysterie verschleiert die demagogischen Argumente über die Abhängigkeit von russischem Gas und die Finanzierung der russischen Aggression als Vorwand, um billige russische Ressourcen, denen Europa seinen wirtschaftlichen Aufstieg verdankt, durch überteuerte amerikanische zu ersetzen. Die Sanktionen betreffen mehr oder weniger den gesamten europäischen Handel mit Rußland. Die Importe aus Rußland sanken von Anfang 2022 bis Mai 2023 um 85 %, die Exporte um 65 %. Anders als Rußland, das die Verluste in Asien ausgleichen konnte, hat Europa keinen vergleichbaren Ersatz.

Der mit angeblichen Sicherheitsrisiken und Handelssanktionen begründete Druck zum Ausstieg aus dem Handel mit China verfolgt das gleiche Ziel. Allerdings ist China im Gegensatz zu Rußland mit einem Anteil von 21 % an den Importen der größte Handelspartner der EU und damit größer als die USA (12 %), so daß der Druck eher latente Vorbehalte gegenüber den USA förderte und nur zu einer vagen Formulierung der voraussichtlichen Risikominderung führte.

Die größte Finanzdrainage der europäischen Wirtschaft bildet natürlich die Ukraine.

Durch Waffenlieferungen wurden europäische Militärlager geleert, die mit modernster amerikanischer Technologie aufgefüllt werden müssen. Nicht nur zur Ergänzung, sondern auch zur gründlichen Steigerung, denn nach dem Sieg in der Ukraine plant Rußland, in andere europäische Staaten einzumarschieren.

Und lassen wir uns die Unterschiede nicht übersehen. Während europäische Waffen für die Ukraine ein vom Steuerzahler finanziertes Geschenk sind, unterliegen amerikanische Waffen einem Leih- und Pachtvertrag. Die Ukraine wird sie jahrzehntelang zurückzahlen – durch den billigen Verkauf von Land und Rohstoffen an BlackRock und andere amerikanische Konzerne.

Der im Jahr 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act sieht Subventionen in Höhe von 783 Milliarden US-Dollar für in den USA ansässige Unternehmen vor. Dies ist neben den erheblichen Energiepreisunterschieden ein weiterer wirksamer Anreiz für europäische Unternehmen, in die USA auszusiedeln.

Eine übersehene Finanzdrainage sind die Folgen der amerikanischen Aggression, die durch europäische Steuern finanziert werden. Flüchtlinge aus Ländern, die zu Beginn des Jahrhunderts von den USA verwüstet wurden, bedeuteten für Europa bereits eine erhebliche Belastung. Auf ihnen entstanden illegale Menschenschmuggelstrukturen, die den Nachfragerückgang in Westasien schnell durch unerschöpfliche Ressourcen in Afrika kompensierten, insbesondere nach der Zerstörung Libyens, das bis dahin als Filter fungierte. Der Ukraine-Krieg hat dann weitere Millionen Menschen vertrieben, denen Europa aus politischen Gründen überdurchschnittliche Bedingungen bietet. Noch schwerwiegender als die wirtschaftlichen Kosten selbst sind die sozialen, politischen und kulturellen Folgen, die Polarisierung und der Zerfall des europäischen Wertesystems.

Noch im Jahr 2011 war das Pro-Kopf-BIP in der EU etwas höher als in den USA (15.800/14.700 USD). Zwölf Jahre später ist es ein Drittel niedriger (18.350 $/27.400 $). Europa befindet sich in einer Phase der Deindustrialisierung, die durch die Krise der Automobilindustrie aufgrund billiger chinesischer Konkurrenz deutlich beschleunigt wird. Während die USA Wirtschaft durch den Krieg deutlich gestärkt wurden, steht ihr europäischer Freund vor einem langfristigen wirtschaftlichen und politischen Abstieg.

Freund Israel

Die Beziehung zwischen den USA und Israel weist, wie Beobachter feststellen, keine Parallelen in der Geschichte auf. Es scheint, als sei das kleine Israel der despotische Herrscher der Supermacht USA. Es kassiert von ihnen einen jährlichen Tribut, schickt ihre Armee gegen seine Rivalen, nutzt ihr Veto im Sicherheitsrat, um seine eigene Straflosigkeit sicherzustellen, läßt sie ihm den Völkermord an den Palästinensern finanzieren, saugt ihr Waffenarsenal ab und zwingt sie, gegen ihre eigenen Gesetze zu verstoßen, die Lieferung von Waffen an Staaten, die Atomwaffen entwickeln, sowie an jene, die humanitäre Hilfe der USA behindern, verbieten, und um Kritik zu unterdrücken, schafft er ihnen die in der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit ab und führt sie in die internationale Isolation.

Gleichzeitig kennt es keine Gnade für seinen Vasallen. 1967 stahl es Material für die Entwicklung der Atombombe aus den USA, und es gibt Hinweise auf seine Beteiligung an der Ermordung von JF Kennedy, der verhindern wollte, daß Israel an Atomwaffen gelangt. Im selben Jahr versuchte es, das amerikanische Truppenschiff Liberty zu versenken und Ägypten die Schuld dafür zu geben, um das US-Militär dazu zu bringen, seinen Krieg zu führen. Es unterhält ein umfangreiches Spionagenetzwerk in den USA, stiehlt skrupellos deren Know-how und verkauft es gelegentlich sogar weiter. Sehr starke Anzeichen deuten darauf hin, daß es an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beteiligt war, mit der Absicht, die USA in Kriege gegen seine Rivalen zu treiben. Seit Jahren versucht es, die USA zu einem Krieg gegen den letzten von ihnen, dem Iran, und nach dem 7. Oktober 2023 zu einem Krieg gegen die islamische Widerstandsachse zu provozieren. Es infiltrierte und enterwanderte die amerikanischen Geheimdienste, um Untersuchungen seiner Aktivitäten unmöglich zu machen, schiebt Vorwände für Kriegshandlungen unter und verfälscht Informationen, die der Öffentlichkeit und der Administration vorgelegt werden.

Man könnte es als Beispiel einer fatalen Freundschaft mit Israel bezeichnen, aber die Realität ist komplizierter. Einige Beobachter glauben, daß es im Gegenteil die USA sind, die Israel – bis hin zum letzten Israeli – rücksichtslos als Rammbock zur Kontrolle der arabischen Ölressourcen einsetzen. Sein Schicksal würde somit dem Schicksal der Ukraine und anderer amerikanischer Freunde folgen.

Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß beide Länder von demselben Kartell kontrolliert werden, das in den USA Israel-Lobby genannt wird. Seine Mitglieder agieren nur teilweise öffentlich, besitzen aber einen erheblichen Teil der amerikanischen Medien und stellen Gelder für die Wahlkämpfe mehr oder weniger aller Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses bereit. Ein Teil von ihnen besitzt beide Nationalitäten, die bevorzugte Identität ist jedoch Großisrael (Erez Israel). Es besteht nicht nur aus jüdischen Zionisten, seinen größeren Teil bilden christlichen Zionisten mit einem breiten Hintergrund in evangelikalischen Gemeinden. Und um konsequent zu sein: Es ist nicht das einzige, es fügt sich nahtlos in andere Kartelle ein, etwa in die Militär-Industriele, Banken- und Pharmakartelle. Ihre Mitglieder haben auf diese Weise gemeinsam eine neue aristokratische Gesellschaftsklasse vom Typ Mussolinis fascio geschaffen, die die USA, Israel und andere westliche Länder unter strenger Kontrolle hält.

Fazit

Eines der Kennzeichen psychopathischer Individuen – und Gemeinschaften – ist die kopflose Fixierung auf ein unmittelbares Ziel, ohne Pläne, was danach passieren soll und was, wenn es nicht klappt, mit völliger Ignoranz über Hintergrunde, Kontexte, Nebenwirkungen und Konsequenzen.

Aktuelle Konflikte verdeutlichen die Charakteristik. „Mission erfüllt“, jubelte GW Bush nach der Niederlage Saddam Husseins. Seine kompromißlosen Drohungen gegenüber Nordkorea führten zur Entstehung einer weiteren Atommacht. Das Ergebnis israelischer Aggressionen war die Gründung von Hamas, Hisbollah und der Achse des Widerstands. Die Ausgrenzung Irans hat zur Folge, daß das Land zur unangefochtenen Führungsmacht in Westasien geworden ist. Beispiellose Sanktionen katapultierten Rußland zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. Die Identifizierung Rußlands und Chinas als größte Bedrohung hat den BRICS+ Block zum wirtschaftlich und politisch bedeutendsten globalen Akteur gemacht. Die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte und die Abschottung Rußlands aus dem internationalen Bankensystem führten zum allmählichen Niedergang des Dollars als Weltreservewährung und dem kommenden dollarlosen Bankensystem. Die skrupellose Bewaffnung und Unterstützung der Ukraine und Israels brachte beide Länder an den Rand des Untergangs. Und das Streben nach totalitärer Kontrolle über die eigene Gesellschaft bringt sogar die USA selbst an den Rand des Zusammenbruchs.

Die Beherrschung europäischer Länder durch internationale Machtkartelle unter amerikanischer Herrschaft birgt für sie die Gefahr eines Krieges und eines langfristigen Niedergangs. Logische Auswege – die allmähliche Loslösung von der sinkenden amerikanischen Titanic, die Rückkehr zu einem Europa des friedlichen Zusammenlebens, der Rechtsstaatlichkeit, des sozialen Marktes und der Menschenrechte sowie eine Neuorientierung hin zu multipolarer Politik und Wirtschaft – stoßen auf interne und externe Hindernisse.

Von den internen ist es vor allem die Unterwanderung der europäischen Politik durch Persönlichkeiten, die – pragmatisch, der Kariere wegen, durch Korruption, Kompromittierungen, Drohungen – von Machtkartellen abhängig sind. Die Rolle der fünften Kolonne spielen die postkommunistischen, insbesondere die nordischen Länder, welche sie unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Ostblocks widerstandslos unter ihre Kontrolle brachten. Die Anziehungskraft globaler Dominanz ist jedoch nicht einmal der europäischen Kulturtradition des Exzeptionalismus, der Kriege, des Kolonialismus und der Eroberung fremd. Und schließlich hat die jahrzehntelange ideologische Indoktrination durch die westlichen antirussischen, antiislamischen und antichinesischen Narrative die Einstellungen und insbesondere die fanatische Abneigung eines großen Teils der europäischen Bevölkerung geprägt.

Das äußere Hindernis sind vor allem die zu erwartenden Reaktionen der Machtkartelle auf drohenden Einflußverlust. Eine kleine Kostprobe sind die Reaktionen der europäischen Bürokratie auf die abweichenden Positionen Ungarns, der Slowakei oder Polens. Einer massiveren Abkehr von den USA dürfte – sofern sie noch imstande sind – mit dem gesamten Gewicht der US-Ressourcen entgegnet werden – von politischem Druck und Wirtschaftssanktionen über die Mobilisierung versteckter Strukturen bis hin zu Farbrevolutionen und Aktionen unter falscher Flagge.

Die ganze Welt und insbesondere Europa befinden sich derzeit in einer Situation, die über die Entwicklung der kommenden Jahrzehnte entscheiden wird. Die westliche Dominanz wird durch verzweifelte Versuche, sie aufrechtzuerhalten, immer schneller untergraben. Gleichzeitig muß man zugeben, daß europäische Positionen nur die Geschwindigkeit, nicht aber die Richtung beeinflussen können. Das Einzige, was Europa beeinflussen kann, ist seine eigene Zukunft: als unbedeutendes Relikt vergangener Zeiten oder als gleichberechtigter Teil einer multipolaren Welt.

Die Wochen und Monate nach dem 5. November werden uns mehr verraten.

Tschechisches Original:
Být přítelem Ameriky... (14. Oktober 2024)