Es ist, als hätte die ganze Welt in den letzten Jahrzehnten ausgesprochen psychopathische Züge angenommen. Als würden wir unaufhaltsam auf einen Endzustand zusteuern, in dem ein paar psychopathische Parasiten die ganze Macht, den Reichtum sowie Milliarden von Sklaven besitzen werden, schrieb ich vor sieben Jahren. Inzwischen ist die Welt dem Endzustand näher gekommen, aber kohärenter Widerstand ist nirgends zu sehen. Es fehlt an wirksamen Erkennungs- und Abwehrmechanismen und Widerstandskraft gegenüber den Kreisen psychopathischer Persönlichkeiten. Es ist Zeit zum Nachdenken.

Merkmale

Im ursprünglichen Beitrag habe ich Psychopathie als einen Persönlichkeitstyp beschrieben. Die heutige Sichtweise ist differenzierter, obwohl es keine einheitliche Definition gibt. Am treffendsten ist es meiner Meinung nach, es als Zusammenspiel von drei grundlegenden Faktoren zu verstehen: Narzissmus, dissoziale Persönlichkeitsstörung und pathologische Besessenheit von der Ausübung von Macht. Jedes von ihnen ist an sich genommen problematisch, doch in ihrem Zusammenwirken sind sie destruktiv auf zwischenmenschlicher, sozialer, unternehmerischer, staatlicher, internationaler und globaler Ebene.

Die Essenz der narzisstischen Persönlichkeit ist die Überzeugung von eigener Außergewöhnlichkeit, sei es, sich von anderen abzuheben oder umgekehrt ihr Opfer zu sein. Die Merkmale sind Egozentrismus, fehlende Empathie, Oberflächlichkeit, Arroganz, übertriebene Ambitionen und Forderungen nach Sonderbehandlung, Unfähigkeit zur Selbstkritik und Aggressivität gegenüber Kritik, Konkurrenzdenken und Unterscheidung Anderer nach der Formel Wer ist mit mir – wer ist gegen mich.

Die Sozialwissenschaften widmen weniger Aufmerksamkeit den Rationalisierungen des narzisstischen Exzeptionalismus. Individuell sind dies die vermeintlichen oder realen Vorzüge wie Erfolg, Besitz, Bildung, Intelligenz, soziale oder biologische Herkunft, überlegene Weltanschauung, Religion, sexuelle Qualitäten, esoterische Gaben etc., oder im Gegenteil Verfolgung, Leid, eine Opferidentität. Sie sind relevant, da sie Kreise verwandter außergewöhnlicher Persönlichkeiten identifizieren, mit denen sie exklusive kollektive narzisstische Gemeinschaften und Netzwerke bilden. Beispiele hierfür sind nicht nur verschiedene religiöse Sekten oder extremistische politische Gruppierungen, sondern auch – in unserem Zusammenhang bedeutsam – oligarchische und machtpolitische Netzwerke.

Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung ist durch das Fehlen sozialer Emotionen gekennzeichnet. Solchen Persönlichkeiten fehlt das Einfühlungsvermögen, sie nehmen Bedürfnisse und Leiden anderer nicht wahr. Sie ignorieren Gesetze, Normen und Regeln, haben keine moralischen Hemmungen, kein Gefühl von Pflichten, Verantwortung, Scham, Schuld, Reue. Auf Stress reagieren sie aggressiv und heftig, auf Kritik mit Schuldzuweisungen. Ihre Interessen setzen sie durch Manipulation, Vortäuschung, Lügen, Tricks, Intrigen, Betrug durch. Sie handeln impulsiv, risikofreudig und in der Regel planlos.

Nicht jeder begeht kriminelle Handlungen. Viele hingegen wirken charmant, und in manchen Umgebungen wird ihre Skrupellosigkeit als Entschlossenheit, Innovation, Pragmatismus, Heldentum geschätzt. Sie vernetzen sich oft mit anderen und bauen sich Bewundererkreise auf. Die gängige Annahme, dies könnten sie doch nicht tun, ist fehl am Platz: sie tun alles, was ihnen nützt, und haben keine Hemmungen, jedes Mittel einzusetzen, das zur Verfügung stehen.

Ich habe auch mal über die Machtobsession nachgedacht. Wir können die Macht operativ definieren als eine Potenzialität, das Denken und Handeln anderer zu beeinflussen, während die eigene Denk- und Handelsfreiheit gewahrt bleibt. Sie wird in der Regel in Verbindung mit einer institutionellen Macht wie Herrscher, Militär usw. verstanden. Doch ihre Anziehungskraft ergibt sich aus unserem angeborenen Bedürfnis, um Status zu konkurrieren, von freundlichen Anstupsen, Spielen und Sport bis hin zu Kämpfen um Einfluss, Reichtum und Status. Pathologisch wird es erst durch die Obsession, Macht über andere auszuüben: körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Entscheidungen über Leben und Tod, Stellung, Gehorsam, Einfluss. Die Forschungen bestätigen, dass die intrinsische Motivation von Serienmördern und gewalttätigen Pädophilen nicht Hass oder Sex ist, sondern die Befriedigung, Macht über ein wehrloses Opfer auszuüben.

Das allgemeine Interesse konzentriert sich hauptsächlich auf die Geldflüsse, doch es ist notwendig, die Komplementarität im Auge zu behalten: Um an Macht zu kommen, wird Geld benötigt, und um an Geld zu kommen, wird Macht benötigt. Geld selbst ist lediglich ein Werkzeug, ein Mittel zur Machtausübung und zum Schutz vor der Macht anderer. Was die Dopamin-Befriedigung hervorruft, ist die Ausübung der Macht, nicht das Geld. Das vorherrschende Objekt der Obsession variiert jedoch: Für einige ist es in erster Linie Reichtum, für andere unmittelbare Macht. Die Tatsache, dass dies zwei Seiten derselben Medaille sind, ist wichtig für das Verständnis des konkreten Handelns.

Eine psychopathische Persönlichkeit ist durch das Zusammentreffen aller drei Merkmale in hohem Maße gekennzeichnet. So können wir ihr Profil erstellen:

  • Egozentrismus, Glaube an die eigene Außergewöhnlichkeit und daraus resultierende Ansprüche, Arroganz, Ablehnung von Kritik, Schuldzuweisungen an andere;
  • Gefühllosigkeit, fehlende Empathie, Absenz moralischer Hemmungen und Verantwortung, Schuldzuweisungen, Manipulationen, Vortäuschung, Lügen, Impulsivität;
  • Obsessives Bedürfnis nach Reichtum und Herrschaft, selbst um den Preis, anderen Schaden zuzufügen.

Auf Fotografien von Gesichtern können Psychopathen einfache emotionale Inhalte wie Freude, Wut, Angst, Überraschung nicht erkennen. Gleichzeitig zeichnen sie sich durch eine außergewöhnliche Sensibilität für den psychischen Zustand anderer aus und können diese erfolgreich für ihre eigenen Zwecke täuschen und manipulieren. Sie können Emotionen viel besser vortäuschen und ihre Echtheit bei anderen erkennen. Schon an ihrer Gangart können sie geeignete Gewaltopfer treffsicher ausmachen. Dieser scheinbare Widerspruch erinnert an die subtile Sensibilität des Raubtieres für die Stimmung seiner Beute. Ihr evolutionärer Zweck ist auch nicht Verständnis und Mitgefühl, sondern Jagderfolg. Andere Forschungen zeigen, dass psychopathische Persönlichkeiten vergleichbare Emotionen und Ängste wie andere erleben – aber nur solange sie sich darauf konzentrieren. Sobald sie Wind von Beute bekommen, gehen sie ihr um jeden Preis nach, ungeachtet der Risiken und Konsequenzen.

Wichtig ist, dass es nicht nur um Einzelpersonen geht, sondern dass sich Persönlichkeiten mit diesem Profil (wie auch andere) in Gemeinschaften und Netzwerken mit ihresgleichen zusammenschließen können, die ein ähnliches Profil zeigen und synergetisch gemeinsame Interessen verfolgen.

Diese können sich – zumindest auf den ersten Blick – mit den Interessen der breiteren Gemeinschaft überschneiden; schließlich sind Reichtum und Macht im Allgemeinen begehrte Kommodität. Ein beträchtlicher Teil, vielleicht sogar die Mehrheit der gefeierten nationalen und anderen Führer waren und sind psychopathische Persönlichkeiten. Ihr Handeln erweist sich für die Gemeinschaft nicht immer als destruktiv. Ein effektiver Vermögens- oder Machtzuwachs überschattet leicht Zweifel an seiner Legitimität. Das Tolerieren von unmoralischem Handeln beschränkt sich jedoch nicht auf einen ausgewählten Fall, sondern untergräbt allmählich die Integrität des gesamten Systems und durchdringt es, da es einen Präzedenzfall bedeutet, auf den verwiesen und dem nachgeahmt werden kann.

Verbreitung und Wirkung

Das ältere vage Verständnis der Psychopathie wurde von der Kriminologie entstaubt, als mit neuen Methoden der Persönlichkeits- und Hirnforschung entdeckt wurde, dass eine Reihe der schwersten Kriminellen, Serienmörder, sexuellen Gewalttäter und gewalttätigen Pädophilen ähnliche Persönlichkeits-, aber auch physiologische Merkmale aufweisen, die sie von der Mehrheitsbevölkerung unterscheiden. Die Psychopathie erhielt damit einen konkreten und messbaren Inhalt.

Mit objektiven Testmethoden wurde jedoch schnell klar, dass nicht alle Psychopathen im Gefängnis sitzen. Einige sitzen in Aufsichtsräten. Inzwischen ist ein hohes Vorkommen von Persönlichkeiten mit dem Profil schwerster Krimineller in dem Management großer Unternehmen zu verzeichnen, unter Soldaten, Anwälten, Journalisten, Polizisten, Geistlichen, Köchen und Beamten. Für Politiker fehlt es aus verständlichen Gründen an systematischer Forschung, doch unter Experten gibt es keinen Zweifel an ihrem hohen Anteil; schließlich trägt ein politisches Amt die Hauptzutaten in sich – Macht und ihre Ausübung sowie die Möglichkeiten, reich zu werden. Beispielhaft dafür steht die amerikanische TV-Serie House of Cards.

Die Forschungen der Wirkung psychopathischer Persönlichkeiten in Unternehmen zeigen, dass deren beruflicher Werdegang in keiner Weise ihren in der Regel schwächeren Arbeitsleistungen entspricht. Es ist in der Regel das Ergebnis von persönlichem Charme, Lügen, Manipulation und Intrigen sowie Bildung von Anhängergruppen und -Netzwerken. In der Betriebspersonalistik werden sie als selbstbewusst, tatkräftig, dynamisch, charismatisch, entscheidungsfreudig, innovativ bewertet.

Um zu erkennen, dass ein charismatischer, dynamischer Manager zu seinem eigenen Vorteil und gegen die Interessen des Unternehmens handelt, braucht es Zeit und Kontrolle. Bis zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts waren große Konzerne personalstabil. Der berufliche Aufstieg hing von der langfristigen Arbeitsleistung ab, und Übergänge zwischen Unternehmen waren selten. Mit Firmenfusionen, der Globalisierung, der Ideologie des Neoliberalismus und dem Wandel der Wirtschaftskultur begann die Stabilität zu bröckeln. Feste Arbeitsplätze verschwanden, berufliche Mobilität und Unternehmenswechsel wurden alltäglich. Damit wurden ideale Bedingungen für psychopathische Persönlichkeiten geschaffen.

Das Wirken von psychopathischen Führungskräften in Unternehmen wurde detailliert analysiert. Ihre Grundstrategie besteht darin, stabile Strukturen zu zersetzen, Rivalen auszuschalten und Kontrolle zu verhindern. Die Fluktuation in Schlüsselpositionen macht es unmöglich, Erfolge und Misserfolge konkreten Personen zuzuordnen. Destabilisierung, Chaos und Ungewissheit eröffnen Chancen für den weiteren beruflichen Aufstieg sowie für immer höhere finanzielle Anforderungen.

Die Mittel sind Einschüchterung von Untergeordneten, Schüren von Konflikten und Angst, Mobbing, Eliminieren von Rivalen und ihr Ersetzen durch eigene Unterstützer, Unterdrücken von Widerstand. Unternehmensregeln werden gebrochen und allmählich zugunsten von Psychopathen geändert. Die Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, Gesellschaft und Umwelt (Corporate Responsibility) schwindet, Aus-, Weiterbildung, Arbeitsplatzausstattung werden reduziert. Die Arbeit wird schwieriger, gleichzeitig nimmt das erforderliche Volumen zu und die Zeit für die Durchführung ab. Untergeordnete werden manipuliert, um Arbeit für sie zu erledigen, Psychopathen eignen sich ihre Erfolge an und geben anderen die Schuld für ihr Versagen. Stress, Intrigen, Aggressivität nehmen zu, Arbeitszufriedenheit verschwindet. Die Arbeitsmoral verschlechtert sich, Absenzen und Fluktuation nehmen zu, langjährige Mitarbeiter verlassen das Unternehmen. Bevor es bankrott geht, haben die psychopathischen Leiter daraus herausgebracht, was möglich war, und inzwischen prahlen sie mit ihren Scharme und CV in dem nächsten.

Wenn ich mich bei meinen weiteren Überlegungen zum Einfluss von Psychopathen in Wirtschaft und Politik hauptsächlich auf die USA konzentriere, gibt es dafür vor allem drei Gründe: Dominanz und Vorbildwirkung in den Ländern des Westens, die globale Reichweite und die Folgen ihrer Aktivitäten sowie die Verfügbarkeit von Informationsquellen.