Die 1970er Jahre stellen einen Wendepunkt in der Kulturgeschichte des Westens dar, insbesondere der USA. Bis dahin gab es unter amerikanischen Eliten und Bürgern einen ungeschriebenen Konsens über eine gemischte Wirtschaft, über die breiteste und gleichmäßigste Verteilung des Nachkriegswohlstands in der Menschheitsgeschichte, ein Optimismus einer mittelständischen Demokratie, in der sich die Wirtschaftseliten als ihre verantwortlichen Verwalter sahen.

Die 1960er Jahre stellen den Höhepunkt und das Ende der Aufbruchstimmung dar. Im November 1963 wird John F. Kennedy ermordet, ab 1966 beginnen Proteste gegen den Vietnamkrieg, Studentenaufstände, Rassenunruhen, im April 1968 wird Martin Luther King ermordet, im Juni Robert F. Kennedy. Die Wirtschaft befindet sich in einer Rezession, Inflation und Arbeitslosigkeit steigen, und mit dem Ölschock nehmen auch die Warteschlangen für Benzin zu. Der Watergate-Skandal, der Rücktritt von Richard Nixon und das Vietnam Fiasko haben das Vertrauen in die mittelständische Demokratie und in das politische System als solches in seinen Grundfesten erschüttert.

Die Reaktion ist der Rückzug vom Kollektiven zum Individuellen. Manager großer Unternehmen verloren das Interesse daran, sich um den nationalen Wohlstand zu kümmern, und konzentrierten sich auf den persönlichen Wohlstand. Sie gründen neue Lobbygruppen und Think-tanks mit der Aufgabe, alle Hindernisse, die den Vermögenstransfer von unten nach oben einschränken, zu beseitigen, insbesondere in der Gesetzgebung, im Steuersystem und im Staat selbst. Im Laufe von zehn Jahren können praktisch alle gesetzlichen Beschränkungen aufgehoben werden. Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer wird von 90 % der Nachkriegszeit bis 1986 auf 28 % gesenkt, die Körperschaftsteuer von 53 % 1968 auf 15 % 1993. Dem Staat wird die Rolle eines Nachtwächters zugesprochen, der in das Reichwerden nichts zu sagen hat.

Gleichzeitig verändert sich auch die Unternehmenskultur. Neben der Marktnachfrage werden die eigenen Mitarbeiter als eine neue Einnahmequelle entdeckt. Gewerkschaften werden zurückgedrängt und das Arbeitsrecht liberalisiert. Es folgen Rationalisierung, Optimierung, Flexibilisierung, Outsourcing sowie Entlassungen der Arbeitnehmer, mit dem Ziel, deren Anzahl zu reduzieren und die Produktivität der Verbleibenden zu steigern sowie ihre Lohnansprüche und die Unternehmensverpflichtungen ihnen gegenüber zu reduzieren. Dazu hilft die Globalisierung, nämlich die Verlagerung der Produktion in die Länder mit den billigsten Arbeitskräften, der Verwaltung in die Länder mit der besten Infrastruktur und des Hauptsitzes in die Länder mit der niedrigsten Besteuerung. Die Gewinne fließen in die Löhne des Managements, das 1965 im Schnitt das Fünfzehnfache des durchschnittlichen Mitarbeitergehalts betrug, heute das Dreihundertfünfzigfache. Armut, Gewalt, Kriminalität, Tod aus Verzweiflung, soziale Spannungen explodieren, die Lebenserwartung sinkt; für viele reicht die Erwerbstätigkeit nicht mehr aus, um den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Erwähnenswert ist auch die organisierte Kriminalität. Sie hat ihren Ursprung in der amerikanischen Prohibition 1920 – 1933 und dem Entstehen eines Schwarzmarktes mit Milliardenumsätzen. Die Folgen waren die Verfestigung mafiöser Strukturen und derer Infiltration der weißen Wirtschaft, der Gewerkschaften, Kultur und Politik. Zu den klassischen Kommoditäten des schwarzen Markts gehören Prostitution, Glücksspiel, Schmuggel, Waffenhandel, Erpressung und Entführung. Seit den 1970er Jahren hat es sich um einen globalen Markt mit den aufgelisteten Rauschmittel, mit Umsätzen in dreistelliger Milliardenhöhe ausgeweitet; die Folgen sind Explosion der Drogenabhängigkeit, Millionen Drogentote jährlich, die Etablierung von repressiven Behörden im Rahmen des War on Drugs sowie die Zerrüttung vor allem lateinamerikanischer Länder. Mit den Aggressionen der USA und der Destabilisierung afrikanischer und lateinamerikanischer Staaten kommt der Menschenschmuggel mit jährlichen Umsätzen in zweistelliger Milliardenhöhe dazu. In den letzten Jahren wird schrittweise versucht, Tabakprodukte zu verbieten und einen weiteren globalen Schwarzmarkt mit Hundert Milliarden Umsätzen zu erschließen.

Gleichzeitig explodieren auch die Wahlkosten, und die Hauptsorge der Politiker besteht darin, Geld für sie aufzutreiben. 1980 gab Ronald Reagan 77 Millionen US-Dollar für den Wahlkampf aus, 2020 Joe Biden 790 Millionen. Die Armen spenden nicht für Kampagnen, stellt ein einflussreicher Senator fest. Saftige Beiträge kommen nur von den Wirtschaftseliten, die genau wissen, an wen sie diese verteilen wollen. Abgeordnete und Senatoren wissen ebenso gut, was sie dafür zu tun haben und auf wessen Unterstützung sie angewiesen sind. Infolgedessen werden Politiker und Politik nicht von Bürgern, sondern von Finanzeliten gewählt. Es Korruption zu nennen, ist eine grobe Untertreibung. Was stattfindet, ist eine faktische Machtübernahme durch Wirtschaftseliten und die Transformation der Demokratie in eine Oligarchie.

Was eine weitere Einnahmequelle erschließt: die Steuerzahler; die Privatisierung der Gewinne bei Sozialisierung der Kosten. Die US-Verteidigungsausgaben stiegen zwischen 1975 und 2010 von 443 Milliarden Dollar (in Parität 2000) auf 876 Milliarden Dollar. Wenn wir bedenken, dass die Ausgaben der einen Einnahmen der anderen sind, und dass der größte Teil in die Rüstungsindustrie (und deren Management) fließt, können wir uns die Frage ersparen, welche Bedrohung in diesem Zeitraum zu der Verdopplung geführt hat.

Während der Bankenkrise 2008/2009 blieb den Staaten nichts anderes übrig, als weitere hundert Milliarden Steuergelder zur Rettung der Großbanken zu pumpen, und im Folgejahr weitere zig Milliarden, um die griechischen Schulden zu tilgen. Im Jahr 2009 ruf die Pharmaindustrie eine globale Hysterie über die Vogelgrippe hervor, an die weltweit 113 Menschen starben, aber die Regierungen Millionen von Vorräten des unwirksamen Impfstoffs kaufen mussten. Dasselbe wiederholte sich zehn Jahre später mit Covid-19 in großem Stil, diesmal einschließlich des erzwungenen Massenabsatzes von Impfstoffen und neun neuer Milliardäre. Der Krieg in der Ukraine ist eine Gelegenheit für Hundertmilliarden-Hilfe, von der der größte Teil an amerikanische Rüstungsunternehmen und ukrainische sowie amerikanische Oligarchen fließt, und ein anderer Teil still an amerikanische politische Parteien zurückkehrt. Vergessen wir nicht die Übertragung von Vermögenswerten kleiner und mittleren Unternehmen, die Lockdowns und steigende Inflation nicht überstanden haben, zugunsten der Großen. Wie immer die katastrophalen Klimavisionen begründet seien, die logische Erwartung wären Energieeinsparung, Produktionsreduzierung, rationeller Umgang mit Ressourcen. Stattdessen werden Billionen Steuergelder an den Privatsektor überwiesen, um eine weitere gigantische grüne Industrie und Technologie aufzubauen.

Der wachsende Bedarf der Privatwirtschaft an staatlichen Mitteln kann nur teilweise durch Kürzungen der Sozialausgaben gedeckt werden. Zum größten Teil müssen die Staaten Schulden aufnehmen oder sie durch die Emission von Fiat-Geld decken. Die US-Staatsverschuldung ist von 510 Milliarden US-Dollar im Jahr 1975 (33 % des BIP) auf 31 Billionen US-Dollar im September 2022 (120 % des BIP) gestiegen. Weitere Billionen wurden seit der Bankenkrise 2008 in Wellen der quantitativen Lockerung gedruckt. Banken leihen sie sich kurzfristig bei der Bundesbank aus und stellen sie wiederum dem Staat zu einem höheren langfristigen Zinssatz zur Verfügung. Ein kurzsichtiges Hasard, das unweigerlich in einem großen Crash endet? Dies ist die Sicht der sozialen Verantwortung. Die Sicht der Psychopathen ist eine unmittelbare Vermehrung des eigenen Vermögens; was zu Hause ist, zählt. Sie brauchen sich keine Gedanken darüber zu machen, wer es wie zurückzahlt, oder über einen drohenden Wirtschaftscrash. Dies wird nur neue Möglichkeiten für eine weitere Anreicherung öffnen.

Die Eskalation internationaler Spannungen bis hin zum Krieg erschließt ganze Staaten und Staatengemeinschaften als neue Einnahmequelle. Im Rahmen der Ukraine-Hilfe werden die vorhandenen Bestände westlicher Waffen aufgebraucht und die Rüstungsindustrie mit Neuaufträgen überschwemmt. Unter der Parole Abbau der Abhängigkeit von Russland wird ganz Europa zum Verzicht auf stabile, billige russische Energiequellen gezwungen und das Verbot wird durch die Sprengung der Unterwasser-Gaspipelines gesichert. Europa muss stattdessen von teuren und unzuverlässigen amerikanischen Lieferungen abhängig werden, und ihre Knappheit ist eine Gelegenheit, sie zu einem Vielfachen des amerikanischen Preises zu verkaufen. Das Ergebnis ist der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, Insolvenzen, Geschäftsschließungen und ihre Verlagerung in die USA, unterstützt durch neue amerikanische Anreize und Subventionen. Ein Feind der USA zu sein, kann gefährlich werden, doch ein Freund zu sein, wird fatal, kommentierte Henry Kissinger in den 1960er Jahren.

Die Verlagerung von Interessen der Managements auf persönlichen Profit, Veränderungen in der Unternehmenskultur, hohe Fluktuation und die Erosion stabiler Bedingungen, die eine Kontrolle unmöglich macht, schufen ideale Bedingungen für den Aufstieg psychopathischer Persönlichkeiten. Die Folgen ihres Handelns und der Ausbau ihrer Netzwerke verstärken diesen Trend in einem Teufelskreis weiter. Das Handeln der globalen Wirtschaftseliten als Ganzes nimmt infolgedessen die unverkennbaren psychopathischen Merkmale an: Narzissmus, Antisozialität sowie persönlicher Reichtumswahn. So sehr argumentiert werden kann, dass sie dem kapitalistischen System inhärent sind, der Zeitraum bis in die 1980er Jahre zeigt, dass sie nicht unbedingt dominant sein müssen.

Und schließlich sind sie weltweit erfolgreich. Im Laufe mehrerer Jahrzehnte kam es zu einer in der Geschichte beispiellosen Konzentration von Reichtum und Macht. Wenige Individuen besitzen mehr Eigentum als der Rest der Menschheit zusammen. BlackRock, eine Schattenbank, verwaltet Vermögenswerte in Höhe von 10 Billionen US-Dollar, besitzt Anteile an praktisch jedem großen Unternehmen weltweit und verfolgt ihre eigene politische Agenda. Es beteiligt sich auch an jenen neun Konzernen, die 90 % des weltweiten Medieninhalts produzieren. Google, Twitter, Facebook kontrollieren die Informationen, die mehr als der Hälfte der Menschheit zur Verfügung stehen. Drei private Stiftungen, die von Bill und Melinda Gates, George Soros und der Familie Clinton initiieren, leiten und finanzieren politische Aktivitäten auf globaler Ebene.

Dass diese Entwicklung mit der Demokratie nicht vereinbar ist, versteht sich von selbst; die Übertragung von Reichtum und Macht von den Bürgern auf eine schmale Elite ist ihre Antithese. Die Konzentration von Macht und Reichtum auf wenige Superreiche ist sicherlich nicht das Ergebnis demokratischer Wahlen. Die Herrschaft einer nicht gewählten Standeselite wird sonst als Faschismus bezeichnet. Diese ist sich dessen sowie der damit verbundenen Risiken bewusst und handelt entsprechend. Polarisierung, Chaos, Schüren von Angst und Hass, Festlegen von Feinden, ständig neue Konflikte sowie Zensur und Unterdrückung kritischer Meinungen verfolgen ein einziges Ziel: divide et impera, teile und herrsche.