Auszüge aus dem Artikel Rakouská diskuse o popíračích zur Causa Irving für die tschechische Wochenzeitschrift A2 17/2006

In der österreichischen Diskussion stellen sich Positionen gegenüber, die paradoxerweise alle das gleiche Ziel verfolgen: Festigung der Demokratie und ihr Schutz vor jeglicher Art totalitärer Ideologien. Die Trennlinie verläuft dabei quer durch die politischen Lager ... Die Frage der Verfolgung politischer Ansichten ist auch für Tschechien vom Interesse, da hier eine ähnliche Diskussion über das Verbot der kommunistischen Partei stattfindet.

Das Dilemma zwischen Demokratie, den Menschenrechten und Freiheiten einerseits und ihrem Schutz gegen totalitäre Ideologien andererseits ist freilich das Kernproblem ... Der Haupteinwand lautet natürlich, dass Freiheit auch Freiheit des Irrtums und des falschen Handelns mit einschließt... Wie und wann entsteht eigentlich die Strafbarkeit einer Meinungsäußerung? Indem man zu einer solchen Meinung anhand eigener Überlegungen gelangt, oder indem man eigene Meinung öffentlich äußert? In den österreichischen Strafanstalten sitzen immerhin mehrere Menschen, die der Definition der politischen Gefangenen genügen.

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Zur Kontraproduktivität des Verbotsgesetzes erlaube ich mir eine Überlegung, die ein österreichischer oder deutscher Autor auf dieser Weise vermutlich nicht formulieren würde. Die Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft findet anhand freier Würdigung von Argumenten und Informationen aus verschiedenen Quellen statt. Falls einige der Quellen von vornherein ausgegrenzt sind, ist es zwar möglich, eine allgemein „richtige“, politisch korrekte Meinung zu akzeptieren, jedoch nicht zu solcher aus eigener ehrlichen Überzeugung zu gelangen. Die Frage nach der Existenz der Gaskammer entbehrt jeden Sinn, wen nur Argumente einer Seite zugelassen und andere verboten werden, wenn per Gesetz die richtige Antwort vorgeschrieben und die andere bestraft wird. Auf dieser weise relativiert und diskreditiert das Verbotsgesetz gerade jene Ansichten und Positionen, die es eigentlich schützen sollte.

Die österreichische und deutsche Einstellung zum Nationalsozialismus ist freilich durch die exklusive historische Verantwortung geprägt. Jeder Versuch ihrer Relativierung muss notwendigerweise als ethisch unzulässiger Versuch bewertet werden, sich dieser zu entziehen, das menschliche Leiden zu bagatellisieren, sowie als Androhung eines latenten Rückfalls.

Gleichzeitig verhindern jedoch die Gleichsetzung des Chauvinismus, der nationalen Überheblichkeit und der ethnischen Unduldsamkeit mit dem zeitlich und räumlich eingegrenzten Nationalsozialismus, sowie die Monopolisierung der Schuld, das Verstehen ihrer allgemeinen historischen, geopolitischen und geistigen Zusammenhänge, das Erkennen analoger Muster an anderen Orten, zu anderen Zeiten, unter anderem Wortgebrauch, im Europa von heute, in seinem exklusiven Isolationismus, in seinem verbissenen Kampf gegen die „Ausländer und Zuwanderer“ – dessen Vorhut gerade Österreich ist.

Die Causa David Irving ist gleich aus zwei Gründen bezeichnend. Zuerst werden dabei die lokalösterreichischen Maßstäbe an einen Angehörigen eines anderen, durch Nationalsozialismus historisch unbelasteten Staats angewendet, in dem die Freiheit der Meinung, der Diskussion und der historischen Forschung als höchste Werte gelten und je gegolten haben. Zum zweiten findet in Europa soeben ein Paradigmenwechsel statt, der die scharfe Zweiteilung auf Täter und Opfer der unmittelbaren Nachkriegszeit weitgehend auflockert. Nicht nur Tschechen, Slowaken und Polen, sondern mehr oder weniger alle damaligen „Siegernationen“ werden sich schrittweise auch ihres eigenen Anteils an der Entwicklung 1938-1948 bewusst, sowie ihrer Mitverantwortung für Verbrechen, die auch ihre Angehörigen währen dieser Zeit begangen haben, ähnlich wie sich Österreicher und Deutsche nicht nur des Leidens bewusst werden, das sie anderen zufügten, sondern schrittweise auch jenes, das sie dabei selbst erlitten haben. Es ist also ziemlich sicher, dass die Diskussion über das Verbotsgesetz mit der Causa David Irving erst richtig anfängt.