Keinen Zoll

Als Helmut Kohl am 9. Februar 1990 zu Gesprächen über die deutsche Wiedervereinigung nach Moskau flog, hatte er einen Brief des US-Außenministers James Baker in der Tasche, demnach er versprechen sollte, dass die NATO keinen Zoll nach Osten vorrücken wird. Kurz vor seiner Abreise erhielt er einen Brief des amerikanischen Nationalen Sicherheitskomitees, in dem er aufgefordert wurde, einen (NATO) Sonderstatus für das Gebiet der DDR zu fordern. Er entschied sich für die erste der beiden widersprüchlichen Anweisungen und gewann damit die Zustimmung Gorbatschows.

Diese Wende inmitten der allgemeinen Euphorie über das Ende des Kalten Krieges und der Aussicht auf Weltfrieden verdeutlicht den Wendepunkt in der US-Außenpolitik: statt der Auflösung des Warschauer Paktes und der NATO, wie es unter anderem der frischgebackene Präsident Václav Havel forderte, erhielt die NATO eine neue Rolle. Zwei Jahre später präzisiert diese Paul Wolfowitz, Unterstaatssekretär für Sicherheitspolitik: Unsere Hauptaufgabe besteht darin, die Entstehung eines neuen Rivalen zu verhindern, der eine Bedrohung in der Größenordnung der ehemaligen UdSSR darstellt.

Als einziger neuer Rivale kam im Februar 1992 nur die Verbindung europäischer, insbesondere deutscher Technologie und Finanzen mit russischen Bodenschätzen, das Gemeinsame Europäische Haus von Lissabon bis Wladiwostok von Charles de Gaulle und Michail Gorbatschow in Betracht. Seine Entstehung zu verhindern setzte voraus, Europa und Russland zu schwächen, einen Keil zwischen sie zu treiben, sie gegeneinander aufzuhetzen, einen europäisch-russischen Krieg hervorzurufen, Russland zu zersplittern und die Kontrolle über seine reichen Bodenschätze zu übernehmen.

1990 zog die UdSSR ihre Armeen aus Osteuropa und dem Baltikum ab, reduzierte ihre Zahl um ein Drittel, schloss mit den USA einen Vertrag über die Reduzierung ballistischer Raketen, eliminierte mit ihrer Hilfe den größten Teil ihres atomaren Potentials, entließ die Vasallenstaaten und ein Jahr später brach sie zusammen.

Der Präsident der neu gegründeten Russischen Föderation, Boris Jelzin, vertraute seinen neuen Freunden, beantragte die Mitgliedschaft in der NATO und der EU, nahm die amerikanische Hilfe bei der Entsorgung des Atomwaffenarsenals und die Arbeitsplätze für die nicht mehr benötigten Atomexperten dankbar an, unterwarf sich bereitwillig dem Anweisungen des Internationalen Währungsfonds, akzeptierte respektvoll Empfehlungen westlicher Experten und achtete gewissenhaft auf die Einhaltung aller internationalen Regeln und Verpflichtungen.

Die Resultate kamen prompt an. In den neunziger Jahren geriet Russland in den tiefsten wirtschaftlichen, politischen, moralischen und sozialen Sumpf. Verzweifelte Gesuche um Wirtschaftshilfe wurden abgelehnt, seine Aufnahme wurde von EU und NATO zurückgewiesen. Russland wurde erfolgreich geschwächt. Nun war es an der Zeit, einen Keil zwischen ihn und Europa zu treiben.

Dafür waren die neuen postkommunistischen Staaten gut geeignet. Ihre Gesellschaften wurden von der rasanten Entwicklung überwälzt, sie mussten zur antirussischen Haltung nicht zweimal überredet werden, und die CIA unterhielt bereits seit der Dissidentenzeiten vertrauliche Beziehungen und wirksame Hebel zu ihren neuen Eliten. Um den europäischen Frieden zu wahren, begannen Václav Havel und Lech Wałęsa im April 1993 Bill Clinton zur Aufnahme in die NATO zu drängen. Freilich konnten die Sorgen der neuen unabhängigen Länder hinsichtlich des russischen Expansionismus nicht unbeachtet bleiben. Auf dem Madrider Gipfel im Juli 1997 wurden die Tschechische Republik, Ungarn und Polen zum Beitritt eingeladen und auf dem Washingtoner Gipfel im April 1999 aufgenommen.

Boris Jelzin sowie eine Reihe führender amerikanischer und europäischer Politiker, Diplomaten, Analysten und Nachrichtendienstler haben davor gewarnt, dass die NATO-Erweiterung früher oder später zu einem Konflikt mit Russland führen wird. Für die Neokonservativen, die die amerikanische Außenpolitik übernahmen, war dies freilich keine Drohung, sondern im Gegenteil das Ziel. Ein Ziel, das um so dringlicher war, als sich die Befürchtungen hinsichtlich der deutsch-russischen Bündnisses in Form des Baus der gemeinsamen Gaspipeline Nord Stream bereits materialisiert haben.

Auf dem Washingtoner Gipfel wurde gleichzeitig der ursprüngliche Verteidigungsauftrag der NATO um neue Missionen für die gemeinsamen Interessen der Allianz erweitert. Die erste, der Angriff gegen Russlands engsten Verbündeten in Europa, Jugoslawien, war bereits im Gange. Aufgrund der Medienkampagnen über den angeblichen Völkermord an der albanischen Bevölkerung im Kosovo wurde die Regierung Milošević zu Verhandlungen in Rambouillet einberufen und vor das Ultimatum der Besetzung Jugoslawiens durch NATO-Armeen gestellt. Ihre Weigerung wurde zum Vorwand für fast drei Monate intensiver Bombenangriffe mit Tausenden zivilen Opfern, die Václav Havel als humanitär bezeichnete.

Damit kehrte nach mehr als fünfzig Jahren der Krieg nach Europa zurück. Es ist jedoch nicht gelungen, diesen zu einem europäisch-russischen auszuweiten, da sich Ministerpräsident Viktor Orbán dem amerikanischen Druck widersetzte, Ungarn zu einer Invasion Jugoslawiens auf dem Landweg zu bewegen.

Jelzin wurde Ende des Jahres durch Wladimir Putin ersetzt. In einer Rede vor dem Deutschen Bundestag im September 2001 befürwortete Putin das Projekt eines gemeinsamen europäischen Hauses, bot Kooperation und Partnerschaft an und wurde mit Standing Ovation belohnt. Für den Afghanistanangriff stellte er den USA russische Flugplätze und Geheimdienstinformationen zur Verfügung. Die Aussicht auf einen europäisch-russischen Krieg schien immer mehr in weite Ferne zu rücken.

Der Weg führte über die Organisation von Farbrevolutionen in postsowjetischen Ländern mit dem Ziel, prorussische Regierungen zu stürzen und durch proamerikanische zu ersetzen. In Serbien wurde Präsident Milošević im Jahr 2000 gestürzt, in Georgien im Jahr 2003 Präsident Schewardnadse, in der Ukraine im Jahr 2004 Präsident Janukowitsch, in Kirgisistan im Jahr 2005 Präsident Akajew, in Armenien im Jahr 2018 Präsident Sargasjan. Die Farbrevolutionen in Weissrussland 2006 und 2020, in Moldawien 2009, in Russland 2011 und in Mazedonien 2016 scheiterten.

Und der Weg führte über die Aufkündigung der Raketenverträge im Juni 2002 sowie durch die weitere NATO-Erweiterungen. Auf dem Prager Gipfel 2002 wurden weitere sieben postkommunistische Länder eingeladen und auf dem Istanbuler Gipfel 2004 aufgenommen – darunter drei ehemalige Sowjetrepubliken mit großen russischen Minderheiten, zwei davon direkt an Grenzen Russlands. Der russische Expansionismus weitete sich bis an die NATO-Grenzen aus.

Spätestens ab 2006 beginnt eine langfristige psychologische Operation, Russland als eine feindliche totalitäre Diktatur darzustellen, die die westliche Demokratie und europäische Werte bedroht. Die ersten Schwalben sind die Vergiftung von Alexander Litwinenko und der Angriff auf estnische Websites. Wie alle anderen, die in immer kürzeren Abständen folgten, sind sie in der Regel unbewiesen, unplausibel oder später widerlegt, was jedoch nicht daran hindert, sie in den Medien weiter als unbestreitbare Tatsachen darzustellen.

Russland beginnt sich seiner zugewiesenen Rolle und der Gefahren bewusst zu werden. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007 reklamierte Putin die Zusicherungen des ehemaligen Nato-Sekretärs Manfred Wörner aus dem Jahr 1990, das Bündnis nicht zu erweitern, und nannte die Erweiterung eine schwere Provokation, die das gegenseitige Vertrauen untergrabe. Die Spaltung zwischen Europa und Russland nimmt eine Gestalt an.

Sie wurde im folgenden Jahr vollgebracht. Im Februar 2008 wird die Abspaltung des Kosovo vom pro-russischen Serbien verkündet, was Putin als bedrohlichen Präzedenzfall bezeichnete, der das gesamte System der internationalen Beziehungen zerstören wird. Der Ukraine und Georgien wurde von Präsident George W. Bush der NATO-Beitritt versprochen, auf seiner Bukarest-Gipfel im April trotz deutscher Einwände bestätigt und durch gemeinsame Manöver mit Georgien, der Ukraine, Armenien und Aserbaidschan untermauert. Das löste die erwartete Reaktion aus. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, Russland werde alles tun, um den NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens zu verhindern.

Nun war es an der Zeit, die russische Entschlossenheit auf die Probe zu stellen. US-Außenministerin Condoleeza Rice versicherte dem georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili, der 2003 durch die Rosenrevolution an die Macht kam, dass Amerika für seine Freunde kämpfe, und ermutigte ihn zum militärischen Angriff auf die georgischen Gebiete mit russischer Minderheit. Russland hat den Test bestanden und den Angriff innerhalb von fünf Tagen abgewehrt.

Der gewählte Zeitpunkt des Jahrestags der Besetzung der Tschechoslowakei im August 1968 trug zur Wirkung der frenetischen antirussischen Kampagne bei. Es ist angebracht, internationale Truppen nach Georgien zu entsenden, und die Tschechische Republik ist bereit, sich an einer solchen Mission zu beteiligen, ruft der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg. Es wurde ein Keil zwischen Europa und Russland getrieben, und die amerikanischen Neocons vergewisserten sich sowohl der Tatsache, dass Russland zu einer grenzüberschreitenden Intervention provoziert werden kann, als auch der latenten Bereitschaft zumindest der postkommunistischen Staaten, ihm militärisch entgegenzutreten.

Doch nicht nur, dass die Bedrohung durch die deutsch-russische Allianz nicht verschwand, im August 2012 begann die Nord Stream AG sogar mit der Arbeit an der Erweiterung der Gaspipeline um zwei weitere Rohrleitungen. Der Verhinderung von Nord Stream 2 wurde in der Außenpolitik der Neokonservativen eine ganz außerordentliche Priorität eingeräumt, um so dringlicher, als Deutschland sich weigerte, den Stop des Projekts überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Ukrainische Naht

Das Schlüsselland für die europäisch-russische Spaltung ist natürlich die Ukraine. Nicht nur ihrer geopolitischen Bedeutung, Größe, leistungsstarken Landwirtschaft, High-Tech-Industrie, riesigen Bodenschätzen und beträchtlichen menschlichen Potentials wegen, sondern auch wegen ihrer strategischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung für Russland – und wegen ihrer Instabilität.

Diese ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen.

Der erste ist das extreme Ausmaß der Korruption, das ein potentiell wohlhabendes Land in eine Insel der Armut verwandelt hat – allein bis zum Jahr 2014 wanderten 6,5 Millionen Menschen, 13 % der Bevölkerung, aus.

Der zweite Grund ist die nationale, historische und identitäre Ungleichartigkeit. Die Gebiete im Süden und Osten gelten als (pro)russisch und folgen der Tradition des Kampfes der UdSSR gegen das Nazi-Deutschland, während die nordwestlichen Gebiete ukrainisch-nationalistisch sind und der Tradition des Kampfes gegen die UdSSR auf der Seite Nazi-Deutschlands folgen. Der Fluss Dnjepr bildet eine Naht zwischen Europa und Russland, entlang welcher diese geteilt und auseinandergerissen werden können.

Und schließlich unterhalten die amerikanischen, britischen und französischen Geheimdienste seit Kriegsende enge Kontakte und verdeckte Unterstützung für die militantesten nationalistischen und neonazistischen Gruppierungen, ursprünglich als Waffe des Kalten Krieges.

Die mit 65 Millionen US-Dollar subventionierte Orangene Revolution von 2004 brachte den pro-westlichen Wiktor Juschtschenko zu der Präsidentschaft, doch diese hielt nicht lange – 2010 siegte erneut der pro-russische Wiktor Janukowitsch. Und am Horizont zeichnet sich eine weitere Gefahr ab: die Eurasische Wirtschaftsunion, die eine Reihe postsowjetischer Länder nach dem Vorbild der EU verbindet. Ob sich die Ukraine der EU oder der EAWU zuwendet, ist für die Zukunft beider Blöcke von entscheidender strategischer Bedeutung.

Janukowitsch sprach sich immer wieder für die EU aus, wollte aber gleichzeitig die Beziehungen zu Russland, das ein Drittel des Außenhandels der Ukraine ausmachte, nicht gefährden. Im Mai 2012 bot ihm Putin ein Finanzdarlehen und einen Rabatt auf russisches Gas an, und Janukowitsch bekundete Interesse auch an einer Freihandelszone mit der EAWU.

Allerdings würde das die Pläne völlig durchkreuzen. Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, griff ein und wies Janukowitsch im Februar 2013 an, dass die Ukraine nicht gleichzeitig Mitglied der Zollunion mit der EU und der Eurasischen Handelszone sein könne und dass sie sich für einen Weg entscheiden müsse. Nach wochenlangen Verhandlungen gab Janukowitsch am 21. November überraschend bekannt, dass er die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen mit der EU auf das Frühjahr 2014 verschiebt. Niemand kann die Ukraine vom europäischen Weg abbringen, aber sie ist derzeit wirtschaftlich nicht in der Lage, das Abkommen zu unterzeichnen.

Inwieweit die Demonstrationen für einen Anschluss an die EU spontan ausbrachen, kann nur vermutet werden, doch spätestens ab Dezember ergriffen militante ultranationalistische Gruppen, unterstützt von westlichen Geheimdiensten, amerikanischer Regierung und Politikern, sowie von einer aus Israel importierten Kämpfertruppe, die Initiative. Fuck the EU, wies John Kerrys Europaberaterin Victoria Nuland den US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt Anfang Februar 2014 an, als es der EU nicht gelang, Janukowitsch schnell genug zu stürzen, und diktierte ihm die Zusammensetzung der künftigen ukrainischen Regierung.

Die Situation spitzte sich am 20. Februar zu, als unbekannte Scharfschützen, mehreren Zeugenaussagen zufolge im Auftrag der CIA in Georgien rekrutiert, von den durch Selbstverteidigungskräften kontrollierten Gebäuden aus bis zu achtzig Menschen, darunter Polizisten, erschossen.

Dies zwang die EU zum Handeln. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens verhandelten zusammen mit Janukowitsch und Vertretern von Oppositionsgruppen ohne Beteiligung der USA ein Abkommen zur Beendigung der Krise, das Janukowitsch und Vertreter der Demonstranten am folgenden Tag unterzeichneten.

Dies widersprach jedoch dem Interesse der Allianz, den Konflikt zu eskalieren. Der Anführer des neonazistischen Rechten Sektors, Dmitri Jaros, weigerte sich, die Vereinbarung anzuerkennen, und die Schiesserei ging am 21. Februar weiter. Der 26-jährige Wolodymyr Parasiuk forderte Janukowitsch auf, die Ukraine bis 10 Uhr morgens zu verlassen. Am folgenden Tag verkündete der Maidan-Kommandant Andrei Parubiy, dass die Selbstverteidigungskräfte die Macht in Kiew ergriffen und die Kontrolle über das Parlament, den Sitz der Regierung und die Präsidentschaftskanzlei übernommen hätten, sowie dass Janukowitsch Kiew verlassen hatte.

Die neue Regierung leitete sofort eine weitere Eskalation ein. Ihr erster Akt war die Verabschiedung eines Gesetzes, das den Gebrauch von Minderheitensprachen, insbesondere Russisch, einschränkte, was die ablehnende Haltung und die autonomen Bewegungen in den Regionen östlich des Dnjepr nur verstärkte.

Der Oberste Rat der Autonomen Republik Krim hielt am 16. März unter russischer Unterstützung ein Referendum über den Beitritt zu Russland ab. So sehr das Ergebnis von 97,5 % in Frage gestellt wurde, dass die Mehrheit der Bevölkerung einen Beitritt zu Russland wünschte, war bereits aus mehreren früheren Umfragen bekannt. Der Westen behauptet, das Referendum sei illegal, während Russland auf den Präzedenzfall Kosovo verweist. In der Tat rettete es jedoch Tausende Menschenleben vor späteren Kriegsereignissen.

Die amerikanische Strategie wurde am 25. März vom Analysten George Friedman klargestellt: Sie wird auf den Kampffeldern (battlegrounds) der Ukraine und Moldawiens von einem Bündnis von Visegrad-Kampfgruppen (Visegrad battlegroups) unter der Führung von Polen, Rumänien und Aserbaidschan ausgetragen. Am 15. April traf CIA-Chef John Brennan ein, um die neue Regierung anzuregen, die separatistischen Gebiete anzugreifen, und Anfang Juni gab ihr der Think Tank RAND Corporation detaillierte Anweisungen dazu. Anfang Mai starten die ukrainische Armee und Neonazi-Bataillone die Anti-Terror-Operation gegen separatistische Regionen. Die Spaltung Europas und Russlands nimmt endlich auch eine kriegerische Dimension an.

Dass selbst der zweite Versuch des europäisch-russischen Krieges keinen Erfolg hatte, lag vor allem an drei Faktoren. Entgegen den Erwartungen verzichtete Russland auf eine Intervention und unterstützte die Separatisten nur mit Freiwilligen der russischen Armee. Die Separatisten schafften es nicht nur sich zu verteidigen, sondern fügten der ukrainischen Armee in der Augustoffensive eine schwere Niederlage zu. Und nicht einmal die osteuropäischen Staaten zeigten genügend Interesse daran, in den Krieg mit Russland hineingezogen zu werden.

Es erforderte eine gründlichere Vorbereitung.

Zwischenzeit

Im September verhandelten die Kriegsparteien, Russland und die OSZE das Minsker Abkommen zur diplomatischen Lösung des Konflikts und nach dessen Scheitern im Februar 2015 ein weiteres Minsk-II-Abkommen, das eine weitgehende Autonomie für die Donbas-Regionen und ihre Vertretung in der ukrainischen Werchowna Rada vorsah. Während Russland und die pro-russische Separatisten es für verbindlich hielten, hatten die ukrainische Regierung und ihre westlichen Gönner von Anfang an nicht die Absicht, es zu erfüllen, sondern sahen darin nur eine Gelegenheit, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine gründlich zu bewaffnen und auf den Krieg mit Russland vorzubereiten.

Die folgenden sieben Jahre wurden von jeder Partei auf ihre eigene Weise genutzt. Die Ukraine graduierte die Trennung durch das Verbot russischer Literatur und Musik, die Einschränkung der russischen Sprache, die Abspaltung der ukrainisch-orthodoxen Kirche von der russischen, die Eliminierung der Opposition und kritischer Medien, die Entfesselung des fanatischen antirussischen Hasses und die Verherrlichung der Nazi-Traditionen. Denkmäler wurden entfernt und Städte und Straßen, die an Russland und die russische Kultur erinnern, wurden umbenannt. Das Gesetz legt Ukrainisch als Staatssprache fest, alle anderen Sprachen werden unterdrückt. Weitere 1,6 Millionen Bürger wandern aus.

An der Kontaktlinie mit den Separatistengebieten ging der Bürgerkrieg ununterbrochen weiter, hauptsächlich in Form des Beschusses von Städten und Dörfern im Donbass mit Artillerie und Raketen. Laut dem Bericht des UN-Hochkommissars für Menschenrechte wurden seit Beginn der Anti-Terror-Operation bis Ende 2021 über 14.000 Menschen getötet, der größte Teil davon im Gebiet des Donbass.

Im Januar 2018 verabschiedet die Ukraine ein Gesetz zur Wiedereingliederung des Donbass mit militärischer Gewalt. Bei den Wahlen im Westen der Ukraine im April 2019 gewann Wolodymyr Selenskyj mit seinem Programm zur Beendigung des Bürgerkriegs und zur Schaffung von Frieden 73 % der Stimmen. Sein Friedensprogramm präzisiert er: durch die Stärkung des Einflusses der USA, Großbritanniens und Kanadas. Im März 2021 erlässt er ein Dekret zur Deokkupation und Wiedereingliederung der Krim.

Die Amerikaner finanzieren, bewaffnen und trainieren die ukrainische Armee für den Krieg mit Russland und bringen paramilitärischen Kämpfern bei, Russen zu töten. Gemeinsam mit Großbritannien führen sie Militärmanöver in der Ukraine durch und eskalieren die Spannungen im Schwarzen Meer. Die NATO verstärkt kontinuierlich ihre Kontingente in den baltischen Staaten entlang der russischen Grenze und expandiert weiter. Montenegro wurde im Juni 2017 und Nordmazedonien im März 2020 aufgenommen.

In Europa wird die Zeit genutzt, um den russischen Feind gründlich aufzubauen. Der europäische Medienkonsument weiß, dass Russland 2014 Ukraine überfallen hat, dass russische Truppen im Osten der Ukraine kämpfen, dass Russland die Krim okkupiert, Separatisten mit Raketen versorgte, um die malaysische MH17 abzuschießen, seine Gegner einsperrt und mit Nowitschok mordet, die amerikanischen Wahlen manipuliert, die Internetserver westlicher Regierungen, Behörden und politischer Parteien angreift, dass Armeen russischer Trolle russische Propaganda im Internet verbreiten, einschließlich der Tatsache, dass Russland ein Munitionslager in Vrbětice, Tschechien, in die Luft gesprengt hat. Russland ist eine aggressive Diktatur, will die UdSSR wiederherstellen und bedroht das demokratische Europa.

Es scheint, dass die Absicht, Russland von Europa zu trennen und den europäisch-russischen Krieg anzuzetteln, erfolgreich voranschreitet. Doch unter der glänzenden Oberfläche schwebt noch immer ein gefährlicher Funke. Trotz antirussischer Sanktionen schließen große europäische Ölkonzerne im Juni 2015 einen Vertrag mit der russischen Gazprom und nach Behinderung durch Polen im April 2017 mit deren Schweizer Tochtergesellschaft Nord Stream 2 AG. Im Januar 2018 genehmigt Deutschland den Bau und Betrieb und im Juni 2021 verkündet Wladimir Putin die Fertigstellung der ersten Rohrleitung. Was die Sache noch schlimmer macht: Deutschland weigert sich nicht nur, Waffen an die Ukraine zu liefern, sondern blockiert auch die Waffenlieferungen von Großbritannien und Estland.

Neues Blut

Am 6. Januar 2020 tritt in Washington die Neocons-Partie ins Amt, die bereits im Februar 2014 den ukrainischen Putsch leitete: Joe Biden, Anthony Blinken, Victoria Nuland, Jake Sullivan. Sie ist entschlossen, den Plan nicht nur zum Ende zu bringen, sondern noch zu erweitern: Am Beispiel Deutschlands wird deutlich, dass es nicht ausreicht, Russland zu schwächen, sondern dass es notwendig ist, auch Europa, insbesondere Deutschland, zu schwächen.

Seit März 2021 bereitet sich die Ukraine auf die militärische Wiedereingliederung des Donbass und der Krim vor, indem sie 125.000 Soldaten, schwere Waffen und Militärkrankenwagen entlang der Kontaktlinie konzentriert und den Beschuss von Städten im Donbass verstärkt. Russland reagiert, indem es 100.000 Soldaten entlang der ukrainischen Grenze stationiert und so die Ukraine von einem Angriff abschreckt.

Es ist notwendig, es anders zu bespannen, damit der Angreifer nicht die Ukraine, sondern Russland ist.

Biden ist sich so sicher, dass er ihn früher oder später dazu zwingen wird, dass er Angela Merkel im April verspricht, die Sanktionen gegen Nord Stream 2 aufzuheben (!), als Gegenleistung für das Versprechen, dass Deutschland das Projekt im Falle einer russischen Aggression stoppen wird. Im November wird er die G7-Gruppe dazu bringen, der Einführung beispielloser Sanktionen gegen Russland im Falle einer russischen Aggression zuzustimmen, an die damals niemand – nicht einmal Selenskyj – glaubt.

Er droht Putin mit der Zahlung der Kosten für die Untergrabung der US-Wahlen und beendet die Zurückhaltung sowohl der Obama- als auch der Trump-Regierung, die Ukraine zu bewaffnen. Seit August beliefert es das Land gemeinsam mit Großbritannien mit modernster Ausrüstung, darunter auch tödlichen Waffen. Im Oktober schloss es mit Ukraine eine Strategische Partnerschaftscharta ab und plant im Dezember die Stationierung offensiver Raketensysteme. Im Dezember und Januar baut die NATO für massive Waffenlieferungen Logistikrouten durch Europa.

Im Dezember verkündet Selenskyj Bidens Angebot zum sofortigen NATO-Beitritt und im Februar die Absicht, den Atomstatus der Ukraine zu revidieren. Am Vorabend der geplanten Offensive zur Deokkupation und Wiedereingliederung des Donbass und der Krim ab dem 15. Februar 2022 wird die Bombardierung der Donbass-Gemeinden so intensiviert, dass ihre Bevölkerung nach Russland evakuiert werden muss. Biden kündigt an, dass die russische Intervention am 16. Februar beginnen wird. Der deutsche, der französische, der chinesische und sogar der ukrainische Geheimdienst wissen nichts davon, doch Biden ist sich sicher.

Referenden in Luhansk und Donezk erklärten bereits im Mai 2014 die Unabhängigkeit beider Republiken, Russland erkannte sie jedoch nicht an und nach den Minsker Vereinbarungen hätten sie autonome Teile der Ukraine bleiben sollen. Angesichts des drohenden Angriffs forderten sie nun von Russland die Anerkennung der Unabhängigkeit und Hilfe. Am 21. Februar erkannte Russland die Unabhängigkeit der beiden Republiken an, einen Tag später marschierte die russische Armee in sie ein und am 23. Februar startete sie einen begrenzten Präemptivangriff gegen die Ukraine unter dem Banner der Spezialen Militäroperation (SMO).

Der Plan sah die Lahmlegung der ukrainischen Luftverteidigung, die Besetzung des Kiewer Flughafens Hostomel mit der anschließenden Landung leichter Invasionseinheiten, ein schnelles Eindringen in die Innenstadt und die Besetzung strategischer Punkte nach dem Vorbild von Prag 1968 vor. Die Operation sollte wenige Tage dauern und minimale Verluste verursachen. Aber Biden kannte den Plan und die Landung in Hostomel wurde bereits erwartet. Die Niederlage in Hostomel entschied über die weitere Entwicklung: Die SMO entwickelte sich zum Stellvertreterkrieg der NATO mit Russland.

Die Schamlosigkeit der folgenden antirussischen Kampagne ist in der Geschichte der Propaganda einzigartig. Putin hat das Verbrechen der Aggression begangen, ruft der Präsident des Landes, das allein seit Beginn des Jahrhunderts zwölfmal das Verbrechen der Aggression begangen hat, zweimal unter Beteiligung der Ukraine. Putin bombardiert Städte, Krankenhäuser und ermordet Zivilisten, ruft der Präsident des Landes, für das Schock und Ehrfurcht gegen zivile Ziele, angefangen mit dem Sezessionskrieg, die Grundlage jeder militärischen Operation ist. Er ist ein mörderischer Diktator, ruft der Präsident des Landes, das in 22 Ländern der Welt mörderische Diktatoren eingesetzt oder unterstützt hat. Er fordert eine Bestrafung russischer Kriegsverbrechen schweigend darüber, dass die USA, als es ihnen nicht gelang, die Untersuchung ihrer Kriegsverbrechen durch den Internationalen Strafgerichtshof zu verhindern, Sanktionen gegen seine Ermittler verhängten und ein Gesetz verabschiedeten, um ihre Kriegsverbrecher mit militärischer Gewalt zu befreien. Es ist Völkermord, ruft der Präsident des durch Völkermord entstandenen Landes.

Die Wirksamkeit ist in den NATO-Ländern ebenfalls überwältigend. Deutschland stoppt Nord Stream 2 und die G7-Staaten verhängen eine Reihe beispielloser Sanktionen gegen Russland. Die Mainstream-Medien schwelgen in ihrem antirussischen Hass. Anhänger alternativer, kritischer und abweichender Ansichten werden zensiert, diffamiert und verfolgt. Die Demokratie wurde der Notwendigkeit geopfert, die Entstehung eines Rivalen der amerikanischen Hegemonie zu verhindern. Vergleiche finden sich höchstens in der UdSSR und in Deutschland der 1930er Jahre sowie in den kommunistischen Ländern und den USA der 1950er Jahre.

Schon am nächsten Tag wollen die Ukraine und Russland über die Beendingung der Operation verhandeln. Wir haben keine Angst, mit Russland zu verhandeln, wir haben keine Angst, über die Neutralität der Ukraine zu verhandeln, erklärte Selenskyj am 25. Februar vor dem geplanten Treffen in Weissrussland. Noch am selben Tag versagte ihm dies jedoch der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price. Am 6. März begann der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett auf Wunsch Selenskyjs Verhandlungen mit allen Beteiligten, darunter Frankreich, Deutschland und Großbritannien, über die Bedingungen und Garantien der ukrainischen Neutralität. Sie haben es blockiert, fasste er die amerikanische Reation zusammen.

Ende März unterzeichneten die Ukraine und Russland unter Vermittlung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Antalya das Abkommen über ständige Neutralität und Sicherheitsgarantien für die Ukraine, und die russischen Truppen zogen sich aus der Region Kiew zurück. Dies stellte jedoch eine weitere Bedrohung für das Projekt dar; Die USA und die NATO haben die ukrainische Armee nicht acht Jahre lang bewaffnet und ausgebildet, um nach einem Monat der Kämpfe einen Waffenstillstand auszurufen. Der britische Premierminister Boris Johnson flog sofort nach Kiew und zwang Selenskyj, das Abkommen aufzukündigen. Dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld gewonnen, verlautbarte der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell.

Am besten angelegtes Geld

Die Absicht, Russland zu schwächen, basierte auf der Annahme, dass die Kosten des Krieges zusammen mit umfangreichen Sanktionen und dem Verlust von Öl- und Gaseinnahmen Zusammenbruch der gebrechlichen russischen Wirtschaft, einen Rückgang des Lebensstandards, Armut und Unruhen verursachen würden und in der Folge den Sturz Putins, die internationale Isolation und den Zerfall Russlands mit der anschließenden Übernahme seiner Bodenschätze durch eingesetzte Regierungen vom Typ Jelzin. Auf dem Schlachtfeld hätte die mit veralteten Waffen ausgerüstete russische Armee, die unter Munitionsmangel, niedriger Moral und schlechter Führung litt, gegen die modern bewaffnete und nach NATO-Standards ausgebildete ukrainische Armee keine Chance.

Es scheiterte in kolossalem Ausmaß. Russland hat die letzten acht Jahre ebenfalls für eine gründliche Vorbereitung, den Ausbau von Industrie und Landwirtschaft, die Schaffung von Finanzreserven, eine geopolitische Neuausrichtung auf Asien und den globalen Süden sowie für eine gründliche Modernisierung der Armee genutzt. Der Verlust europäischer Energiemärkte wurde gewinnbringend durch asiatische ersetzt, die Produktion ausscheidender westlicher Unternehmen von den Chinesen dankbar übernommen, die fehlenden westlichen Güter durch heimische Produktion und östliche Lieferanten ersetzt. Putins Popularität hat einen Höhepunkt erreicht und die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unterstützt ihn im Krieg zur Verteidigung Russlands gegen den westlichen Imperialismus voll und ganz. Antirussische Sanktionen haben Russland nicht nur nicht geschwächt, sondern gestärkt. Statt Trümmer wurde der Rubel zur stärksten Währung des Jahres, Russland weist ein über dem EU-Durchschnitt liegendes Wirtschaftswachstum auf und hat Deutschland als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt hinsichtlich der Kaufkraft abgelöst.

Die Schwächung Europas und insbesondere Deutschlands erwies sich als weitaus erfolgreicher.

Frühere Einwanderungswellen aus Ländern, die von der amerikanischen Aggression verwüstet wurden, haben bereits die Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt Europas belastet. Durch die Operation mit Covid-Impfstoffen wurden Dutzende Milliarden Euro zugunsten amerikanischer Pharmaunternehmen abgeschöpft. Als die Abhängigkeit von billigem russischem Gas durch die Abhängigkeit von überteuertem amerikanischem ersetzt wurde, werden jedes Jahr zusätzliche Dutzende Milliarden Euro in die USA abgezweigt. Für Deutschland, das jahrelangen wirtschaftlichen Wohlstand dem billigen russischen Gas verdankt, beschert es Jahre der bevorstehenden wirtschaftlichen Rezession. Um sich gegen die erneute russische Konkurrenz abzusichern, sprengten die USA – sei es selbst oder durch ihre Vasallen – die Unterwasserpipeline Nord Stream. Und um die Sache noch schlimmer zu machen, haben sie das Inflation Reduction Act verabschiedet, wodurch in den USA ansässige Unternehmen mit 369 Milliarden US-Dollar subventioniert werden. Die Folge ist eine Abwanderung von Konzernen weg von den hohen europäischen Energiepreisen hin zu den amerikanischen Subventionen, sowie die Deindustrialisierung Deutschlands und Europas. Die Reste des Wohlstands werden durch die Green Deal Ideologie liquidiert.

Die Forderung Polens nach Kriegsentschädigungen für den 2. Weltkrieg in Höhe von 1,1 Billionen Euro könnte für die deutsche Wirtschaft zum Gnadenstoss werden. Es ist anzunehmen, dass diese nicht ohne stillschweigende Zustimmung oder direkte Unterstützung der USA gestellt wurde und dass sich die amerikanische Regierung der möglichen Bumerangwirkung überhaupt nicht bewusst ist.

Den größten Bissen stellen jedoch der Ukraine-Krieg und die amerikanischen Waffenlieferungen dar. Durch die erzwungene Erhöhung der Militärbudgets auf 2 % des BIP, den Ersatz von Materiallieferungen an die Ukraine und die finanzielle Unterstützung, die zum größten Teil an amerikanische Rüstungskonzerne geht, werden weitere hundert Milliarden US-Dollar aus Europa abgezogen. Europa steht vor einer langen Phase des wirtschaftlichen und internationalen politischen Abstiegs, der durch interne Streitigkeiten und die fünfte Kolonne postkommunistischer Länder verschärft wird.

Das tragischste Ergebnis ist jedoch die Ukraine selbst. Über die Versprechen der Art Amerika kämpft für seine Freunde zeugt am besten die Selenskyjs Bestürzung, als er gleich zu Beginn des Konflikts – wie bereits Saakaschwili vor ihm – feststellen musste, dass wir wurden allein gelassen, dass die mächtigsten Länder der Welt nur aus der Ferne zuschauen, und dass die NATO vor einer Konfrontation mit Russland Angst hat.

Zu spät. Die Ukraine und er persönlich sind bereits in einem Ausmaß von amerikanischen Anweisungen, Waffen und Geld abhängig, aus dem es kein Zurück mehr gibt.

Das ist am besten angelegtes Geld, versichert ihm US-Senator Lindsey Graham, ihr tötet die Russen. Zehntausende Russen. Hunderttausende getötete Ukrainer sind es wert, würde Madeleine Albright sagen. Der Einsatz der Ukraine im Kampf gegen die Russen ist von großem Wert, bestätigt Senator Mitt Romney, er kostet uns kein Leben, sondern nur 5 % des Militärbudgets. Für weniger als 3 % unseres nationalen Militärbudgets haben wir es der Ukraine ermöglicht, die Militärmacht Russlands zu halbieren, triumphiert Senator Richard Blumenthal, Investitionen in die Ukraine zahlen sich für uns aus. Und Senator Adam Schiff prahlt: So können wir die Russen dort bekämpfen, damit wir sie nicht hier bekämpfen müssen.

Einige Kommentatoren wenden ein, dass der Westen die Ukraine zu immer weiteren militärischen Aktionen zwingt, obwohl Geheimdienstinformationen und militärische Analysen von Anfang an zeigen, dass sie gegen die massive russische Übermacht keine Erfolgschancen habe. Die Autoren gehen davon aus, dass das Ziel die territoriale Integrität der Ukraine – oder zumindest so viel wie möglich davon – das Ziel sei. Dies ist jedoch eine falsche Annahme, es ist nicht das strategische Ziel. Dies ist die Schwächung, genauer gesagt die Überlastung und Destabilisierung Russlands nach dem Szenario der RAND Corporation, sowie seine Dekolonisierung, Fragmentierung, nach den Plänen der amerikanischen Helsinki-Kommission. Die Ukraine und ihre Toten sind nur verbrauchte taktische Mittel. Und wenn die Ukrainer alle sind, gibt es dort immer noch die Polen und die Balten und danach die Rumänen und die Tschechen.

Die letzteren werden bereits fleißig auf den Krieg mit Russland im Geiste Auf nach Belgrad! von 1914 vorbereitet. Der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Petr Pavel™, wurde der Tschechischen Republik zum Präsidenten gewählt. Mit dem Beitrag der Kriegssteuer hat sie ihr Verteidigungsbudget um 40 Billionen Kronen auf 7 % des Staatshaushalts erhöht und 50 deutsche Leopard-2-Panzer und 24 F-35-Kampfjäger, Träger von Atombomben, bestellt. Wir werden für unsere Arbeit ein adäquates Flugzeug haben, freuen sich die Piloten. Die Kriegszensur kontrolliert nicht nur die Massenmedien, sondern auch das Internet und die persönliche E-Mail-Kommunikation. Bürger mit unangemessenen Ansichten werden verfolgt, entlassen und eingesperrt. Die Verteidigungsministerin verkündet, dass wir uns im Krieg mit Russland befinden und im Vladislav-Saal auf dem Hradschin erklingt Brittens Kriegs-Requiem. Lediglich der Bau von Zivilschutzkellern und Atombunkern verzögert sich.

Aufgabe erledigt

Die Aufgabe, die Entstehung eines Rivalen zu verhindern, wurde somit weitgehend erfüllt. Europa und Russlad wurden erfolgreich gegeneinander aufgehätzt, Europa wurde effektiv geschwächt und laut der Deutschen Annalena Baerbock, der Tschechin Jana Černochová oder dem Franzosen Emanuel Macron befindet sich bereits im Krieg mit Russland. Unweit von Moskau kämpfen wieder deutsche Panzer mit ukrainischen Neonazis gegen die Russen, die erste Koalition der Willigen den Krieg zu einem vollwertigen europäisch-russischen Krieg auszuweiten wird gebildet und das mächtigste Land der Welt schaut nur aus der Ferne zu.

Man kann sich jedoch nicht der Erinnerung an das Mission accomplished von George W. Bush im Irak 2003 entziehen – auf die Euphorie des schnellen Sieges folgten Jahre zunehmender Probleme und das allmähliche Eingeständnis der Niederlage.

Indem sie Europa von Lissabon bis Wladiwostok verhinderten, beschleunigten die USA die Entstehung eines viel mächtigeren Rivalen von Buenos Aires bis Shanghai, der Handel statt Kriege betreibt und die amerikanische Hegemonie in den Abgrund der Geschichte verbannt. Das wütende Auf nach Moskau! funktioniert nur, wenn kritische Stimmen eliminiert werden – also in einem Achtel der Welt, in den NATO+ Ländern. Die anderen sieben Achtel wollen entweder für keine Partei Stellung ergreifen oder tendieren zu dem Gegenpol des Westens – der BRICS-Wirtschaftsgemeinschaft.

Die aggressiv hegemoniale Politik der amerikanischen Neokonservativen erreichte damit in diesem Jahrhundert genau das Gegenteil ihres Ziels: den Niedergang der amerikanischen Hegemonie. Das geopolitische Gewicht der USA im Nahen Osten, in Afrika, Lateinamerika und Asien ist weitgehend erodiert. Eine Reihe trotziger Länder funktionieren allen Sanktionen entgegen weiterhin zufriedenstellend und finden auf der anderen Seite der Welt immer wirksamere Unterstützung. Umfragen zufolge werden die USA – gemeinsam mit Israel – weltweit als die größte Bedrohung für den Weltfrieden wahrgenommen.

Der Einflussverlust wirkt sich nicht nur auf das geopolitische Prestige aus. Das Einfrieren der Bankguthaben widerspenstiger Staaten oder Einzelpersonen – neuerdings auch eigener Bürger – hat den Nebeneffekt eines Vertrauensverlusts: Einlagen in amerikanischen Banken können leicht zum Instrument politischen Drucks und Erpressung werden. Die Abschottung Russlands und anderer Länder aus dem internationalen Clearingsystem und der Einsatz des Dollars als Waffe führt mittelfristig zum Niedergang seiner Position als Weltreservewährung – insbesondere als Saudi-Arabien, dem Dollar diese verdankt, der BRICS-Gemeinschaft beitrat und Ölgeschäfte in lokalen Währungen abwickelt. Es wird erwartet, dass die Gemeinschaft in absehbarer Zukunft eine alternative Währung einführt, die durch reale Kommoditäten und Rohstoffe gedeckt ist. Der Verlust des Reservewährungsprivilegs ist ein Damoklesschwert über der hoffnungslos überschuldeten US-Wirtschaft.

Und es wäre töricht zu erwarten, dass die Politik der Subversion nur auf andere Staaten beschränkt bleibt. Die innere Polarisierung der USA hat in diesem Jahrhundert eine Intensität erreicht, die ihre eigene Existenz bedroht. Tektonische Linien verlaufen auf vielen Ebenen: rassisch zwischen Weißen und Schwarzen, national zwischen der anglophonen Altbevölkerung und der hispanischen Einwanderung, sozial zwischen dem Boom der Superreichen und der Explosion der Armut, ideologisch rund um das Wokeismus und die kritische Rassentheorie, in Werten rund um LGBT, Abtreibung und Waffenbesitz. Es wird durch die tiefe tektonische Linie zwischen Demokraten und Republikanern überlagert, die sich gegenseitig für existentielle Bedrohung für die USA halten. Republikanische Bürger und Unternehmen ziehen aus blauen (demokratischen) Staaten in die roten (republikanischen) um und umgekehrt, somit kommt zu allen tektonischen Linien noch auch die regionale hinzu. In Kalifornien, Texas, Oregon, Hawaii und anderswo entstehen lokale Separatistenbewegungen, die eine Abspaltung vom Mutterstaat oder sogar von den USA fordern.

Der Konflikt ist längst über das Stadium eines bloßen Wahlkampfes hinausgegangen. Die derzeitige Biden-Regierung versucht nicht einmal, ihn zu mäßigen, sondern setzt offen darauf, die Trump-Opposition mit Gewalt niederzuschlagen. Nach drei erfolglosen Versuchen, Donald Trump durchs Impeachement abzusetzen, leitete sie eine Reihe von Strafverfahren gegen ihn sowie seine Anhänger ein, mit dem Ziel, seine erneute Kandidatur um jeden Preis zu verhindern. Im Gegenzug planen die Republikaner ein Impeachement gegen Joe Biden wegen seiner ukrainischen Korruption – ebenfalls mit einem wahrscheinlichen strafrechtlichen Nachspiel im Erfolgsfall.

Früher oder später steuern die USA auf einen Bürgerkrieg zu, nicht nur den Kommentaren und Analysen amerikanischer Beobachter nach, sondern auch nach Anzeichen dafür, dass sich sogar die Staatsverwaltung auf grossflächige Unruhen vorbereitet. Es beseitigt nach und nach die Meinungsfreiheit, verschärft die Kontrolle und Überwachung der Bürger sowie die Repression gegen Oppositionsgruppen und rüstet Machtstrukturen – von der Polizei bis zum Finanzamt – mit militärischer Ausrüstung auf. Es gibt sogar Überlegungen, ob im nächsten Jahr überhaupt noch Wahlen stattfinden werden. Es scheint, dass das Jahr 2024 ein Wendepunkt für die USA sein könnte, doch selbst wenn sie es überleben, sieht es nicht so aus, als würde sich die Lage danach beruhigen, eher im Gegenteil.

Wenn der Leser die mögliche Implosion der USA als Hoffnung auf eine bessere Welt versteht, ist es angebracht, seinen Optimismus zu zügeln. Erschütterungen in jedem mehr oder weniger stabilen System gehen freilich mit einer umfassenden Destabilisierung einher. Weltweit gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Spannungsherden und latenten Konflikten, die nur durch die gegebene Verteilung geopolitischer Kräfte, darunter – oder insbesondere – der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht der USA, latent gehalten werden. Mit dem plötzlichen Zusammenbruch brechen sie mit voller Wucht aus. Unabhängig davon, ob wir sie einzeln als positiv oder negativ bewerten, haben sie gemeinsam, dass sie alle blutig und ihr Ausgang unvorhersehbar sein werden. Und wir sprechen nicht von den USA selbst, die bis an die Zähne mit nuklearen, chemischen, biologischen und konventionellen Waffen bewaffnet sind, die außer Kontrolle geraten. Die Suche nach einem neuen, relativ stabilen Modus Vivendi ist ein dramatischer Prozess über viele Jahre hinweg.

Optimal wäre ein langsamer, schrittweiser Übergang von der amerikanischen Hegemonie zu einer multipolaren Welt, begleitet von allenfalls geringfügigen, beherrschbaren Kollisionen. Es würde die USA in keiner Weise gefährden, ihre Wirtschaftskraft würde ihnen noch auf lange Sicht eine prominente Stellung sichern und der Übergang von Konkurrenz- zu Kooperationsparadigmen würde auch zu einer Erholung des Binnenklimas führen. Doch die psychopathischen Eliten, die in den letzten Jahrzehnten die Kontrolle über das Land übernommen haben, haben sich entschieden, die Entwicklung zu stoppen und ihre Macht mit bloßer Gewalt aufrechtzuerhalten. Die Folge ist keine Stagnation, sondern ein Druckanstieg bis zum Moment der Explosion.

Tschechisches Original:
Zabránit vzniku rivala

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